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  • Vertragsrecht, 16. Januar 2008

    „Es gibt keine Amateurverträge!“


    Von:  Anne80

    Wochenlang gab es keine Einigung. Das Tauziehen zwischen den Regionalliga-Konkurrenten SV Babelsberg 03 und 1. FC Union Berlin um Stürmer Shergo Biran gab nicht nur Aufschluss über die Schwierigkeiten von Transfermodalitäten unter den Vereinen. Im Fall Biran wurde auch offensichtlich, unter welchen bizarren finanziellen Bedingungen Spieler verpflichtet werden.

    Der Fall Biran

    Der Billig-Bomber wurde er in den Boulevardblättern genannt. Der 29-jährige Shergo Biran war in seiner Babelsberger Zeit arbeitslos gemeldet und kassierte lediglich einen Nebenverdienst von 150 Euro als Vertragskicker in Potsdam. Biran, der unter anderem schon für Wolfsburg II, Osnabrück und Trier gespielt hat, hatte in seiner Babelsberger Zeit in fünfzehn Spielen neun Tore geschossen.

    Von Union bekam er dann zur Winterpause das Angebot für geschätzte 5.000 Euro im Monat zu spielen, das er verständlicherweise nicht ausschlagen wollte. Damit ging das Gerangel um ihn los. Babelsberg wollte den äußerst preisgünstigen und noch dazu sehr erfolgreichen Spieler natürlich behalten oder wenigstens nicht unentgeltlich ziehen lassen. Der 1. FC Union war dagegen nicht bereit, eine Ablöse für den viel versprechenden Neuzugang zu zahlen.

    Schließlich kam es dann nach ewigem Hin und Her doch noch zu einer Einigung. Das Wie und Warum bleibt aber unklar und unterliegt strengster Geheimhaltung. Die Vereine lassen keinen Blick hinter die Kulissen zu.

    Es gab Vermutungen, dass Biran sich selbst aus dem Vertrag freigekauft und auf noch ausstehende Prämienzahlungen verzichtet hat. Warum er sich auf einen solchen Vertrag überhaupt erst eingelassen hat, erklärt Biran, der zuvor noch nie arbeitslos gemeldet war so: „Es war so, dass Babelsberg mir im Sommer einen Vertrag angeboten hat, von dem ich nie hätte leben können, dadurch kam der Vorschlag, es über die Arbeitslosenschiene zu machen. 150 Euro geringfügige Beschäftigung aus versicherungstechnischen Gründen. Dann haben wir gesagt, wir machen das bis zum Winter. Da sollten neue Sponsoren frei gemacht werden und dann hätte man einen neuen Vertrag machen können. Es war so, dass ich für die paar Euros nicht bis zum Sommer, wo dann Geld da gewesen wäre, spielen wollte.

    Ich wollte unbedingt Regionalliga spielen und in Berlin gibt es ja nur Union und Babelsberg. Ich hätte das auch ausschlagen können und hätte woanders, also eine Liga darunter, mehr Geld verdient. Viel mehr Geld als in Babelsberg. Aber ich wollte die Regionalliga auch als Bühne für mich nutzen, um weiter zu kommen oder um da einen Vertrag zu bekommen.“

    In diesem Fall spielte also vor allem die Hoffnung auf eine bessere Zukunft - der verbesserte Vertrag, der in Aussicht gestellt wurde - eine Rolle. Mindestens genauso wichtig war aber auch der persönlich Ehrgeiz Birans, in der Regionalliga aktiv zu sein und somit einen zweiten Start im Profifußball anzustreben. Das führte ihn dazu, sich vorerst unter Wert verkaufen zu müssen.

    Die rechtliche Seite

    Nach deutschem Gesetz ist die Vereinbarung, auf die sich Shergo Biran mit dem SV Babelsberg 03 eingelassen hat nicht illegal. In Deutschland herrscht die so genannte Berufs- und Vertragsfreiheit. So lange es sich nicht um einen Tarifvertrag oder einen Vertrag mit Mindestvereinbarung handelt, ist demnach unter Arbeitnehmern und Arbeitgebern eigenständig auszuhandeln, unter welchen Bedingungen beide ein Beschäftigungsverhältnis eingehen.

    Ein Nebenverdienst darf zwar nicht mehr als 15 Arbeitsstunden die Woche zur Folge haben, kontrolliert wird diese Vorgabe aber nicht. Eine Mitarbeiterin des Arbeitsamts dazu: „Die Agentur für Arbeit geht grundsätzlich – unabhängig von der Art der Nebentätigkeit – von der Richtigkeit der Angaben aus, da der Arbeitgeber gesetzlich dazu verpflichtet ist, Art und Dauer der jeweiligen Beschäftigung sowie die Höhe des Arbeitsentgeltes zu bescheinigen.“ Auch hier wird eine Wertung über die Situation von Fußballspielern, die für 150 Euro beim Verein arbeiten, umgangen. Den Mitarbeitern der Arbeitsagentur wurde Redeverbot erteilt, sich in irgendeiner Form diesbezüglich urteilend zu äußern: „Zu den Arbeitsverträgen von Fußballspielern wird die Agentur für Arbeit sich nicht wertend äußern. Die Agentur für Arbeit vermittelt am Arbeitsmarkt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und hat sich insofern neutral zu verhalten.“

    Besonders fatal an der Situation ist, dass der Spieler zwar nur einen lächerlichen Betrag vom Verein erhält, trotzdem aber vertraglich an ihn gebunden ist. Das bedeutet, dass er bei einem besseren Angebot nicht einfach ohne Weiteres wechseln kann, sondern darauf hoffen muss, dass der Verein ihn gnädigerweise gehen lässt, was bei einem Spieler wie Biran wohl eher die Ausnahme bleiben dürfte. Vielleicht hat er auch Glück und der interessierte Verein zahlt eine Ablösesumme für den Transfer. Leidtragender bleibt dabei aber eigentlich immer der Spieler, denn er sitzt nicht nur zwischen allen Stühlen, sondern hat auch kaum eine Chance aktiven Einfluss auf seine Arbeitssituation zu nehmen.

    Ulf Baranowsky von der Spielergewerkschaft VDV weist klar daraufhin, dass es gar keine Amateurverträge in dem Sinne gibt. Er betont, dass andere Amateurspieler nicht mal die ‚Aufwandsentschädigung’, wie es im Gesetzestext heißt, von 150 Euro bekommen. Wenn Spieler sich freiwillig und eigenverantwortlich auf einen Status als arbeitslose Berufsfußballer einlassen, so gibt es im Nachhinein keine gesetzlichen Grundlagen, um gegen diese Vereinbarung gerichtlich vorzugehen. Das Arbeitsamt kann den als arbeitslos gemeldeten Fußballspieler sogar zu weiteren Arbeiten verpflichten. Shergo Biran musste zum Beispiel im Auftrag der Arbeitsagentur Potsdam Lagerarbeiten verrichten, statt mit der Mannschaft zu trainieren. Für viele bleibt rätselhaft, wie der Stürmer unter solchen Arbeitsbedingungen seinen Ehrgeiz aufrechterhalten konnte, für Babelsberg 03 weiterhin zu punkten. Motivierend war vermutlich, dass jedes erzielte Tor die Chance erhöhte, bald einen Verein auf ihn aufmerksam werden zu lassen, der ihm einen besseren Vertrag anbieten würde. So wie es Union dann schließlich getan hat. Baranowsky empfiehlt seinen Klienten, sich auf einen ‚Amateur-Vertrag’ gar nicht erst einzulassen, sondern lieber auf ein vernünftiges Angebot zu warten, dass den Vorstellungen des Spielers entspricht.

    Die Zahl der arbeitslos gemeldeten Berufsfußballer, die vom Verein nur 150 Euro monatlich erhalten, liegt im Dunkeln. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass speziell in der Regional- und Oberliga Arbeitsverhältnisse in dieser Form keine Seltenheit sind. Die Vermutung liegt nahe, dass besonders Vereine, die nur über kleine Etats verfügen, aber trotzdem unter professionellen Bedingungen trainieren, finanzielle Defizite auf diese Art ausgleichen wollen.

    Rechtlich können gegen das Aushandeln und Schließen dieser Verträge keinerlei Einwände erhoben werden. Das Einzige was bleibt, sind die moralischen Bedenken, die aber innerhalb von Vereinspolitik und -philosophie oft fehl am - oder besser gesagt auf dem Platz sind.

    Geschrieben von:  Anne80

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