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  • BFC Dynamo, 20. Juni 2008

     

    „Möchte meinem Vater danken, dass ich kein Unioner geworden bin“


    Von:  Stephan R.T.

    Unser Forumsuser ‚willy79er’ geht seit nunmehr über 30 Jahren zum BFC Dynamo. Konnte er früher Titel feiern, muss er nun schon seit geraumer Zeit seinem Verein durch die vierte und fünfte Liga folgen. Doch dem Präsidenten der Fangruppierung ‚79er’ lässt die Leidenschaft nicht mehr los und so wird er nun mit seinem BFC in der kommenden Spielzeit auch nach Bentwisch reisen. Und damit sich jeder ein Bild davon machen kann, wie ‚willy79er’ überhaupt zu den Weinroten kam und wie er deren aktuelle Entwicklung sieht, beantwortete er unsere Fragen.

    Wie ist Deine Leidenschaft für den Fußball entstanden und wer hat Dich eigentlich zum Fußball gebracht?

    Zum Fußball hat mich mein Vater gebracht. Er hat mich schon als kleines Kind auf die Sportplätze und zum BFC Dynamo mitgenommen. Ich denke mal, es ist die typische Vater-Sohn-Geschichte, die viele zum Fußball gebracht hat. Mein erstes Spiel allein, ohne an Vaters Hand, war mit 13 Jahren am 19. Februar 1977 im Stadion der Weltjugend gegen Union. Wir verloren dieses Spiel zwar, aber die Liebe zum BFC hatte mich ja schon erwischt und ich denke mal, an dem Tag machte ich die Ehe perfekt.

    Für welchen Verein schlägt Dein Herz und warum - was verbindet Dich mit Deinem Verein, wie und wann wurdest Du Fan?

    Es ist wie schon gesagt, der BFC Dynamo. Was verbindet mich mit meinem Verein: Liebe, Treue, Freunde, Spaß und geile Spiele, aber auch Wut und Enttäuschungen. Eben die ganze Palette halt, welche einen Fan ausmachen, wenn man mehr als nur mit dem Herzen dabei ist. Es sind ja nun schon über 30 Jahre.

    Welche Erinnerung hast Du noch von den ersten Spielen, was für ein Erlebnis, war das für Dich?

    Es war der 19. Februar 1977 gegen Union, wir hatten verloren. Ich war noch nicht einmal 13 Jahre alt und meine Tante aus dem Westen hatte mir ein paar Tage vorher einen weinrot-weißen Schal mitgebracht. Weinrote Wolle gab es in der DDR schwer, bzw. so gut wie gar nicht. Das Stadion war voll und die Stimmung bei uns im Fanblock war gut, obwohl wir den Unionern zahlenmäßig weit unterlegen waren. Das Spiel war aus und wir verließen das Stadion. Ich weiß nicht mehr, ob wir zu erst gingen oder die Unioner, jedenfalls irgendwann rannten alle und ich bekam einen Faustschlag ab. Mehrere Union-Fans zogen an meinem Schal, bis er in deren Besitz war. An diesem Tag verstand ich die Welt nicht mehr.

    Mit 13 Jahren ist man ja noch beeinflussbar und formbar, aber an diesem Tag war klar, wo ich hingehöre und das mein Herz weinrot-weiß schlägt. Möchte auch dafür meinem Vater noch einmal danken, dass ich kein Unioner geworden bin, sowie die, die meinen Schal haben. Etwas Besseres konntet ihr gar nicht tun.

    Wie zufrieden bist Du mit der aktuellen Leistung Deines Vereins, was lief in dieser Saison gut, was hätte besser klappen können?

    Als Fan, mit der weinroten Brille, die man ja dabei immer auf hat, kann ich nicht zufrieden sein, wenn drei Mannschaften direkt sowie eine Mannschaft über die Relegation aufsteigen kann und wir sind nicht dabei. So einfach wird es wohl nie wieder werden.

    Aber wenn man es mal probiert und neutral die Sache betrachtet, hat es halt sportlich nicht gereicht – Platz 5 ist halt nicht Platz 4 oder 3. Dazu muss man auch sagen, eine Saison vorher wären wir fast abgestiegen. Wir hatten unruhige Zeiten im Verein, sowie etliche Verletzte Spieler und Suspendierungen. So gesehen kann man dann mit dem fünften Platz wieder zufrieden sein.

    Ich denke aber, wir sind auf einem guten Weg. Auf in eine neue Saison, vor allem mit unserem Trainer Volkan Uluc, den ich menschlich sowie sportlich sehr schätze.

    Wie soll es in der nächsten Saison weitergehen, was erwartest Du von Deinem Verein und in welchen Bereichen sollte es besser laufen?

    Da bin ich mit Prognosen sehr vorsichtig, hoffe aber, wir schaffen den Aufstieg. Ich bin mir aber bewusst, dass es sehr schwer wird, da dieses Jahr nur der erste Platz zum Aufstieg reicht.

    Was waren die schönsten und welches die schlimmsten Erlebnisse mit Deinem Verein und anderen Fans?

    Denke mal das schlimmste Erlebnis war die Insolvenz. Aber die schönen Momente überwiegen natürlich. Da könnte ich ein Buch schreiben. Aber woran ich mich immer wieder gerne erinnere, sind die Europacup-Spiele, da bekomme ich noch heute eine Gänsehaut. Wir hatten ja sehr oft die internationalen Top-Mannschaften, der damaligen Zeit, zu Gast und das Rückspiel im Oktober 1984 gegen Aberdeen, als wir im Elfmeterschießen gewonnen haben, das war einfach genial.


    willy79er reicht BFC-Trainerlegende Jürgen Bogs die Hand.

    Was macht Dich zu einem echten Fußball-Fan, wie siehst Du andere Fans?

    Ich bin über 30 Jahre dabei, das sagt doch alles. Mit anderen Fans ist es doch wie mit den Nachbarn: den einen mag man, den anderen nicht. Aber mit etwas Abstand trinkt man eben auch mal mit anderen Fans ein Bierchen oder feiert eine Party.

    In den letzten Jahren kam im Fußball immer wieder das Thema ‚Gewalt und Rassismus’ auf. Wie sind Deine Erfahrungen zum Thema und wie siehst Du die Probleme zwischen Fans und Ordnungskräften?

    Politik hat für mich persönlich nichts im Stadion zu suchen, egal ob von rechts, links oder auch den Parteien, die es in diesem Land gibt. Fußball bedeutet aber auch Emotionen und man sollte auch nicht aus einer Mücke gleich einen Elefanten machen. Den Gegner und dessen Fans runter zu machen, gehört doch einfach auch dazu. Wenn es mal unter die Gürtellinie geht, davon ist noch keiner gestorben, wollen doch sonst alle so harte Männer sein.

    Zum zweiten Teil der Frage möchte ich nur an die Vorfälle im Jeton erinnern und es dabei auch belassen.

    Ein weiteres aktuelles Thema ist die kommerzielle Entwicklung des Sports, wie stehst Du dazu?

    Dies ist wohl leider die Zukunft, auch gerade, wenn man in den Profibereich möchte und auch international wieder eine Rolle spielen will. Leider geht durch diese Entwicklung die Volksnähe und Ursprünglichkeit des Fußballs verloren. Mir ist ein Stadion mit biertrinkenden und grölenden Fans lieber, als ein Stadion mit bunten Werbetafeln umgeben und mit klatschenden, auf dem Arsch sitzenden, sich amüsierenden und gleichgeschalteten Zuschauern. In vielen Stadien grade im Profibereich darf man ja nicht mal mehr ein Transparent aufhängen. Das ist mehr als schade und auch ein Armutszeugnis der Vereine die es betrifft.

    Bist Du von anderen Fangruppen beeindruckt – wenn ja, von welchen und warum?

    Eigentlich nicht. Ich liebe unsere Fanszene, mit dem was sie erlebt hat, dem Potential und der Unterschiedlichkeit in den verschiedenen Bereichen. Das ist schon etwas Besonderes und macht stolz.

    Ich zolle aber allen Fans Respekt, die sich nicht verbiegen lassen, nicht dem Mainstream verfallen und ihre ehrliche Meinungen sagen, sowie der absoluten Kommerzialisierung und Repressionen der staatlichen Organen entgegentreten. Den Ultra-Bewegungen vielerorts kann ich schon, wenn sie ehrlich gelebt wird, etwas abgewinnen.

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    Geschrieben von:  Stephan R.T.

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