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  • FC Eintracht Bamberg 2010, 28. Juni 2022

     

    „Wir wollen mit attraktivem Fußball Fans und Sponsoren von unserem Weg überzeugen“ – Das große Trainerinterview mit Jan Gernlein


    Von:  Stephan R.T.

    Nach dem kurzfristigen, aber nachvollziehbaren Wechsel von Julian Kolbeck zum Drittligaaufsteiger SpVgg Bayreuth setzt der FC Eintracht Bamberg erneut auf einen jungen Trainer auf der Chefcoachposition: Jan Gernlein ist mit 29 Jahren gerade einmal eineinhalb Jahre älter als Julian Kolbeck – und hat eine nahezu identische Spielauffassung wie sein Vorgänger. Alles beim Alten also? Wie der neue Mann an der Seitenlinie des FCE wirklich tickt, wo er seine Mannschaft sieht und welche Pläne er hat, verrät er im großen Trainerinterview.

    Jan, für Dich ist die neue Trainerstelle ja sozusagen ein Heimspiel. Du kennst als Wahlbamberger die Stadt schon lange. Wo kann man Dich denn in Bamberg jenseits des Fußballplatzes am besten treffen? Gibt es einen Lieblingsort?

    Ach, hier gibt es einfach so viele schöne Plätze: das Hainbad, der Kiosk Kunni, das Schlenkerla oder auch das Café Müller in der Austraße. Irgendwo dort und dazwischen bin ich immer zu finden… (lacht)

    Und ab sofort natürlich auch im Fuchs-Park-Stadion. Wenn Dir jemand am 1. Mai gesagt hätte, dass Du am 31. Mai Cheftrainer beim FC Eintracht Bamberg bist, dann…?

    …hätte ich darauf verwiesen, dass hier ein hervorragender Trainer arbeitet – und ich mich eher im Jugendbereich sehe.

    Wie ist das denn genau gelaufen, dass Du so überraschend zum FC Eintracht gekommen bist?

    Unglaublich spontan und schnell. Sascha (Dorsch, stv. Vorstandsvorsitzender, Anm. d. Red.) hat mich am Sonntag (29. Mai) angerufen, Montag (30. Mai) haben wir uns mit Julian Kolbeck gemeinsam getroffen – und Dienstag (31. Mai) war klar, dass wir es machen wollen. Ich glaube, manchmal sind diese überraschenden Fügungen nicht die schlechtesten.

    Eine Wahnsinnsgeschichte, vor allem, dass der alte Trainer bei der Suche des neuen beteiligt ist! Hast Du Dich inzwischen schon etwas eingewöhnt?

    In der Tat! Leicht macht es mir sicherlich, dass ich schon vieles hier kenne: die Stadt, den Verein und auch die ein oder andere handelnde Person. Trotzdem wird es einige Zeit dauern, bis ich bei jedem weiß, wer er oder sie ist und welche Funktion jeder hier hat. Dafür ist der Verein auch einfach zu groß, als dass man das sofort alles überblickt.

    Dein alter Verein, der FC Schweinfurt 05, ist ein professioneller Regionalligaverein, der seit Jahren versucht, in die dritte Liga aufzusteigen. Dein neuer Verein ist ein ambitionierter Bayernligist, der nach schwierigen Jahren inzwischen wieder gut aufgestellt ist und fast den Aufstieg in die Regionalliga geschafft hätte. Was Schweinfurt und Bamberg eint, sind die große Fußballtradition und einst heiße Gefechte. Worin siehst Du den größten Unterschied zwischen beiden Klubs?

    Beide eint, dass der Weg in die nächsthöhere Liga wirklich noch weit ist. Der größte Unterschied liegt sicher auch in der Ausrichtung in Sachen Sponsoring und Jugendförderung. Schweinfurt hat mit Präsident Markus Wolf einen großen Geldgeber, der den Großteil des Etats selbst stellt. Wir in Bamberg hingegen haben viele Partner und sind nicht abhängig von einem großen Sponsor. Und das Thema Jugend ist in Schweinfurt leider auch schwer praktikabel gewesen, da mit der Umstellung auf Profitum und der Abschaffung der zweiten Mannschaft der Weg für die eigenen Jugendspieler immer schwerer wurde. Wir versuchen in Bamberg, jetzt eigene Jugendspieler so zu integrieren, dass sie feste Kaderplätze haben und verzichten lieber mal auf die ein oder andere Verpflichtung, wenn es auf der gleichen Position einen U19 Spieler gibt.

    Euer Testspielprogramm für die neue Saison hat es in sich: ein Drittligaabsteiger (Würzburger Kickers), ein Drittligaaufsteiger (Bayreuth), zwei Regionalligisten (Aubstadt und Fürth). Gegen die Kickers setzte es ein 1:7 im Fuchspark, in Bayreuth ein 0:4. Ihr habt allerdings das große Handicap, dass etliches Stammpersonal zum Auftakt nicht anwesend ist. Was sagen solche Spiele gegen große Gegner für Dich aus?

    Um ganz ehrlich zu sein, sind diese Spiele sportlich nicht zu bewerten. Wir sehen lediglich mal, wie weit der Weg noch ist, um eine Liga weiter oben Fuß zu fassen. Für die aktuelle Kader- und Personalsituation sind diese Spiele nicht ideal, da wir sehr viele junge Spieler haben, die Spiel für Spiel hinterherlaufen müssen. Weiter glaube ich, dass diese Spiele wenig mit dem zu tun haben werden, was uns in der Saison erwartet. Hier wird es wenig Spiele geben, in denen wir 90 Minuten durchgehend verteidigen müssen. Ich glaube, selbst wenn wir alle Leistungsträger an Bord hätten, wären diese Spiele sehr schwer erfolgreich zu gestalten.

    Tranziska, Helmer, Schmittschmitt – der FCE hat nahezu seine komplette Offensivabteilung verloren. Andererseits sind tragende Säulen wie Kettler, Popp, Reischmann oder Kaube geblieben. Und die Kaderplanung ist ja noch nicht ganz abgeschlossen. Was traust Du Deinem Team in der neuen Bayernliga-Runde zu?

    Wenn man so will, haben wir knapp 60 Tore aus der letzten Saison verloren und müssen sehr kreativ werden, um das annähernd aufzufangen. Auch bei der Kaderplanung mussten wir gewisse Ideen mit einbringen, da das Budget bei uns nicht grenzenlos ist. Wir wollten hier keine wilden Dinge machen, was dem Verein bekanntlich in der Vergangenheit nicht gutgetan hat. Also spielen auch hier unsere jungen Spieler eine große Rolle, und wir müssen sehen, wie wir uns als Gemeinschaft entwickeln können. Die Neuzugänge sollen auch alle erstmal in Ruhe ankommen dürfen.

    Gäbe es einen Wunschspieler, den Du gerne hättest?

    Ich bin menschlich wie sportlich mit unserem Kader zufrieden. Einen Innenverteidiger hätten wir noch vertragen können, aber auch hier werden wir gute Lösungen finden. Wunschspieler gibt es auch deshalb nicht, da am Ende immer das beste Team erfolgreich ist.

    Blicken wir mal auf den Spielplan: Zum Bayernliga-Start steht gleich ein Traditionsderby in Würzburg an: WFV gegen FCE. Die heimstarken Würzburger konnten sich erst über die Relegation in der Liga halten. Für Dich ein schwerer oder machbarer Auftakt?

    Ich glaube, es ist gleich mal ein Duell mit einer gewissen Brisanz auch für unsere Fans. Man darf sich definitiv nicht täuschen lassen, dass der WFV letztes Jahr Relegation gespielt hat. Sie haben eine gute Truppe und gerade auch mit Lukas Illig einen starken Spieler aus Großbardorf dazu bekommen, der auch eine gewisse Stabilität mitbringt. Daher wird das kein leichtes Spiel, aber wir wollen jedes Spiel zu einem machbaren für uns machen.

    Die Augen der Bamberger Fußballfans sind ja auch schon ein bisschen auf den vierten Spieltag gerichtet, wenn das Derby bei der DJK Don Bosco ansteht. Kommt dieses Highlight, das Du jetzt zum ersten Mal als Verantwortlicher miterleben darfst, für Dich zu früh in der Saison?

    Ich freue mich, dass wir nicht so lange darauf warten müssen. Da ich ja auch den ein oder anderen Spieler aus Wildensorg kenne, freu ich mich auf solche Spiele natürlich ebenso wie die Fans. Gewünscht hätte ich mir jedoch, dass wir im Sommer bei uns im Stadion und das Rückspiel im Herbst/Winter auf Kunstrasen spielen. Aber das wurde leider anders gelegt.

    Welcher Bamberger Verein, glaubst Du, wird am Ende der Saison in der Tabelle besser platziert sein?

    Unser Ziel ist es natürlich besser platziert zu sein, aber das kann man vorab nie sagen. Wir müssen erstmal schauen, wie sich unsere Jungs an die Liga gewöhnen und wie die Entwicklung der Mannschaft ist. Wenn wir arbeiten und bereit sind zu investieren, werden wir am Ende wohl ‚Stadtmeister‘ werden.

    Und noch eine Einschätzung zur Liga: Welches sind die schwierigsten Aufgaben, wer gehört zu Deinen Favoriten?

    Der Absteiger aus Eltersdorf mit einem sehr breiten Kader, Jahn Regensburg II, weil sie gut ausgebildet sind und allen voran Donaustauf. Ich glaube, gerade Donaustauf ist wenigen als so krasser Favorit bekannt. Aber wenn man hört, was da für Zahlen für Trainer und Spieler auf den Tisch gelegt werden, dann hat das nichts mit dem zu tun, was wir hier Woche für Woche machen. Da kann man schon davon sprechen, dass das eine andere Liga ist.

    Kommen wir mal zur Taktik: Die Fans im Fuchs-Park-Stadion sind in den vergangenen Jahren sehr verwöhnt worden, was attraktiven Offensivfußball angeht? Wie sieht Deine Strategie aus?

    Wir werden immer mutig Fußball spielen und unser Herz auf dem Platz lassen. Wenn das Woche für Woche der Fall ist, dann werden wir uns am Ende wenig vorzuwerfen haben. Wir haben gerne den Ball und gegen das ein oder andere Tor mehr, hab ich auch nichts einzuwenden.

    Klingt gut! Wenn Du die Wahl mit dem FCE hast: lieber 3-5-2 oder 4-4-2?

    Eher 3-5-2, wobei das ja alles nur Zahlenspielereien sind. Am Ende ist es wichtiger, dass wir alle den gleichen Gedanken auf dem Platz haben.

    Apropos: alle den gleiche Gedanken. Als was für einen Trainertypen würdest Du Dich beschreiben?

    Ich würde sagen, dass ich nah an der Mannschaft bin – mit einer natürlichen Autorität, ohne groß herumschreien zu müssen. Eher ruhig und sachlich.

    Was eint und was unterscheidet Dich in diesem Punkt mit Deinem Vorgänger Julian Kolbeck?

    Dafür kennen wir uns persönlich zu wenig und dafür weiß ich auch zu wenig über seine Arbeit auf dem Platz. Ich glaube, er hat einen guten Job gemacht. Wenn ich das auch schaffe, dann würde ich mich freuen, wenn uns das eint.

    Was muss also passieren, damit Du im Mai 2023 sagst: Das war eine gute Saison!

    Wir sollten einen attraktiven Fußball spielen, junge Spieler integriert haben und es geschafft haben, die Fans im Stadion und die Sponsoren in der Stadt von unserem Weg zu überzeugen. Eine gute Saison ist für mich nicht nur an Ergebnissen auszumachen, sondern an der Entwicklung von Verein, Mannschaft, Umfeld, etc.

    Und wie sehen Deine Zukunftspläne generell mit dem FC Eintracht aus?

    Ich bin jetzt erstmal froh, wenn die Mannschaft nach Urlaub, Krankheiten und Verletzungen zum ersten Mal komplett zusammen ist. Dann muss man sehen, wo man allgemein im Umfeld noch Hebel ansetzen kann, um den Verein Stück für Stück noch beliebter und attraktiver zu machen. Wenn wir es schaffen, die Trainingsbedingungen mittelfristig weiter zu verbessern, wäre ich auch sehr zufrieden. Aber eins nach dem anderen.

    Herzlichen Dank, Jan, für diese Einblicke und die besten Wünsche für eine erfolgreiche Saison!
    Das Gespräch führte Adrian Grodel (FCE Kommunikation).

    Jan Gernlein in Kürze

    Geburtsdatum: 9. September 1992
    Spitzname: ‚Kaiser‘ (bei den ehemaligen Spielern in Schweinfurt)
    Größe: 1,92 Meter
    Beruf: gelernter Bankkaufmann, dann Fußballtrainer und jetzt Gruppenhelfer in einer Jugendhilfeeinrichtung
    Stationen als Spieler: FC Lichtenfels
    Stationen als Trainer: FC Lichtenfels, FC Schweinfurt 05, FC Eintracht Bamberg 2010
    Größter sportlicher Erfolg bisher: Bayerischer Pokalsieger und Meister Regionalliga Bayern mit dem FC Schweinfurt 05
    Hobbys: sämtliche Ballsportarten, wandern und essen gehen

    Nenne drei Begriffe, die dich am besten beschreiben: empathisch, spontan, bodenständig
    Lieblingsessen und -getränk: spanische Tapas und Traubensaftschorle
    Gibt es ein abergläubisches Ritual vor dem Spiel? Bei Heimspielen gibt es einen festen Ablauf, auch das Warm-up wird immer gleich aufgebaut. Bei Auswärtsspielen höre ich kurz vor der Ankunft immer dasselbe Lied.
    Hier halte ich mich am liebsten auf: auf dem Trainingsplatz oder im Fußballstadion
    Vorbilder als Spieler und warum: Zinedine Zidane, weil er es geschafft hat, alles sehr einfach aussehen zu lassen
    Vorbilder als Trainer und warum: Horst Hrubesch. Er ist menschlich, ein hervorragender Trainer und arbeitet leidenschaftlich und erfolgreich mit jungen Spielern zusammen.
    Unmittelbar nach dem Schlusspfiff eines jeden Spiels…: …lauf ich zum gegnerischen Trainer und anschließend zum Schiedsrichter für den obligatorischen Handshake.

    Eintracht Bamberg

    Geschrieben von:  Stephan R.T.

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