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  • 1. FC Lokomotive Leipzig, 11. Mai 2022

     

    Stolpersteine für eine sportbegeisterte Leipziger Familie


    Von:  Stephan R.T.

    Jugendspieler des 1. FC Lokomotive Leipzig, Verein für Bewegungsspiele e.V. haben in Zusammenarbeit mit dem Erich-Zeigner-Haus e.V. das Leben der Familie Rotter erforscht

    Die sogenannten Stolpersteine, mit Messingplatten belegte Betonquader, sind derzeit in 1.265 Gemeinden in ganz Deutschland anzutreffen. Sie sind vor den letzten selbstgewählten Wohnorten von Opfern des Nationalsozialismus in den Gehweg eingelassen. Jeder von ihnen trägt eine individuelle Inschrift.

    Am 16. Mai 2022 verlegt der Künstler Gunter Demnig, Initiator der Stolpersteine, in Leipzig allein zehn davon für die Familie Rotter. Beginnen wird er damit um 14.30 Uhr in der Funkenburgstraße 4. Dort erinnern künftig vier Steine an den ältesten Sohn der Familie, Otto Rotter, seine Frau Marianne (geb. Vogel) sowie ihre beiden Söhne Klaus Adolf und Heinz. Ab 14.50 Uhr erfolgt die Verlegung weiterer sechs Steine für Eugenie Rotter (geb. Hein), ihre Söhne Karl Josef, Fritz Egon und Curt Rotter sowie Curts Frau Minna Rotter (geb. Springer) und deren gemeinsamen Sohn Adolf Pinkas in der Jahnallee 14.

    Im Sommer 2021 hatte die damalige U15-Jugendmannschaft des 1. FC Lokomotive Leipzig Leben und Schicksal der Familie Rotter erforscht. Zutage gefördert wurde die große Sportbegeisterung der ganzen Leipziger Familie. Alle vier Söhne von Adolf und Eugenie Rotter spielten als Jugendliche beim Verein für Bewegungsspiele (VfB) Leipzig Fußball. Als Adolf Rotter, der 1930 eines natürlichen Todes starb, 1920 den jüdischen Sportklub ‚Bar Kochba‘ Leipzig gründete, wechselten Otto, Karl Josef und Curt vom VfB zum Verein ihres Vaters. Fritz Egon blieb dem VfB treu und schaffte als 18-Jähriger den Sprung ins Tor der ersten Mannschaft des damaligen deutschen Rekordmeisters. Sofort wurde er Stammtorhüter und stand noch bis 1926 zwischen den Pfosten, um sich danach vor allem der Jugend des Vereins zu widmen. Für sein über zehnjähriges ehrenamtliches Engagement im Jugendausschuss zeichnete der VfB ihn sogar aus. Mit der Übernahme der Regierungsmacht durch die Nationalsozialisten begann die Leidenszeit von Fritz Egon und seiner gesamten Familie. 1934 musste er auf Druck der neuen Machthaber seinen VfB verlassen. Als Jude durfte er nur noch mit anderen jüdischen Menschen Sport treiben. So schloss auch er sich Bar Kochba an und war dort bis zu dessen Zwangsauflösung 1938 aktiv.

    Wo Diffamierung, Diskriminierung und Ausgrenzung beginnen und wie diese wirken, das erlernten die jungen Lok-Fußballer somit auch anhand der eigenen Vereinsgeschichte durch selbständige Recherche im Rahmen eines einwöchigen Workshops. Sie erforschten das erschütternde weitere Schicksal der einzelnen Familienmitglieder. Eugenie Rotter verstarb 1942 in Paris. Ihr ältester Sohn Otto, seine Frau Marianne und deren Sohn Klaus Adolf wurden 1942 in Auschwitz ermordet. Deren jüngster Sohn Heinz verstarb 1942 im Alter von elf Jahren im Lager Beaune-la-Rolande in Frankreich. Ottos Brüder Karl Josef und Fritz Egon wurden 1941 im Konzentrationslager Groß-Rosen umgebracht. Nur Curt gelang 1941 mit seiner Frau Minna und ihrem Sohn Adolf die Flucht in die USA. Dort starb Curt 1981.

    Der 1. FC Lokomotive Leipzig, Verein für Bewegungsspiele e.V., und der Erich Zeigner Haus e.V. erinnern am 16. Mai 2022 mit der gemeinsamen Verlegung von zehn Stolpersteinen an:

    • Eugenie Rotter (geb. Hein), 1875-1942
    • Otto Rotter, 1896-1942
    • Marianne Rotter (geb. Vogel), 1901-1942
    • Klaus Adolf Rotter, 1931-1942
    • Heinz Rotter, 1934-1942
    • Karl Josef Rotter, 1898-1941
    • Fritz Egon Rotter, 1901-1941
    • Curt Rotter, 1904-1981
    • Minna Rotter (geb. Springer), 1907-nicht bekannt
    • Adolf Pinkas Rotter, 1938-nicht bekannt

    Finanziell unterstützt wurde das Projekt vom Freistaat Sachsen im Rahmen des Landesprogramms ‚Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz‘, welches das zivilgesellschaftliche Engagement für die freiheitlich demokratische Grundordnung fördert. Es stand unter der Schirmherrschaft von Dr. Thomas Feist, Beauftragter der Sächsischen Staatsregierung für das Jüdische Leben.

    Auch in diesem Jahr ist ein Workshop mit der U15-Jugendmannschaft zum Thema Diskriminierung geplant. Dabei wird sich der 1. FC Lokomotive Leipzig als erster Deutscher Fußballmeister erneut mit seiner Geschichte während des Nationalsozialismus kritisch auseinandersetzen. Im Leitbild des Vereins heißt es: „Wir vermitteln Werte wie Loyalität, Respekt, Fairness und Toleranz. Wir üben Solidarität mit in Not geratenen Menschen und zeigen uns hilfsbereit gegenüber Benachteiligten. Wir treten aktiv und konsequent gegen jede Form von Diskriminierung auf.“

    Das Erich-Zeigner-Haus in Leipzig-Plagwitz ist Zentrum und Begegnungsort für gelebte Zivilcourage und Demokratie. Mit dem ehemaligen Wohn- und Arbeitsort Erich Zeigners (1886-1949) verbindet sich lokale Verwurzelung und Tradition der sächsischen Demokratie mit zukunftsorientierten Projekten der politischen Bildung.

    Henry Lewkowitz, Geschäftsführender stellvertretender Vorsitzender des Erich-Zeigner-Haus e.V.: „Wir freuen uns als Erich-Zeigner-Haus mit diesem Stolpersteinprojekt gemeinsam mit dem 1. FC Lokomotive Leipzig die jüdischen Spuren des Leipziger Fußballs und die Verbrechen der Nationalsozialisten aufgearbeitet zu haben, um der Familie Rotter öffentlich sichtbar zukünftig zu gedenken. Dieses Jugendprojekt zeigt die untrennbare Verzahnung von Sport und Politik.“

    Jens P. Hirschmann, Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des 1. FC Lokomotive Leipzig, Verein für Bewegungsspiele e.V. und 2021 letzter Präsident des VfB Leipzig: „Wir sind stolz auf die tolle Arbeit unserer Jugendfußballer. Damit bewahren sie das Andenken an eine jüdische Familie. Dass vier Familienmitglieder als Jugendliche selbst in unserem Verein dem Ball nachjagten, wirkte besonders motivierend. So haben unsere jungen Sportler einen wichtigen Beitrag zur Erforschung unserer Vereinsgeschichte in dunklen Zeiten geleistet. Fachlich wurden sie dabei hervorragend durch das Erich-Zeigner-Haus und die ausgezeichneten Referenten unterstützt.“

    Alexander Voigt

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    Geschrieben von:  Stephan R.T.

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