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  • SpVgg. Unterhaching 1925, 08. Dezember 2023

     

    „Wir haben für Deutschland alles auf dem Platz gelassen!“ – Interview mit U17-Weltmeister Konstantin Heide


    Von:  Stephan R.T.

    Die deutschen U17-Junioren begeistern mit ihrem ersten WM-Triumph überhaupt: mittendrin der Unterhachinger Torwart Konstantin Heide. Im Halbfinale gegen Argentinien (4:2 n.E.) sowie im Endspiel gegen Frankreich (4:3 n.E.) pariert er im Elfmeterschießen je zwei Strafstöße und avanciert so zum zweifachen Matchwinner und WM-Helden. Im Interview mit der bfv.de-Redaktion des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) spricht Heide über Vergleiche mit Ed Sheeran, die Rückkehr ans Gymnasium in Kirchheim und seinen klaren Plan für die Zukunft.

    Glückwunsch zum WM-Titel, Konstantin. Jetzt bist du zurück aus Indonesien, zurück in der bayerischen Heimat. Konntest du schon verarbeiten, was in den vergangenen vier Wochen passiert ist?

    Vielen Dank! So wirklich habe ich das alles noch nicht realisiert. Es ist wie ein Traum! Durch die mediale Aufmerksamkeit habe ich mitbekommen, dass wir in Deutschland gefeiert werden und die Menschen stolz auf uns sind. Ich war am Dienstag auch das erste Mal wieder in der Schule. Dort habe ich sofort gemerkt, dass wir als U17-Nationalmannschaft etwas Außergewöhnliches geschafft haben.

    Wie haben die Mitschülerinnen und Mitschüler im Kirchheimer Gymnasium reagiert?

    Sie fragen nach Fotos, laufen mir hinterher und haben sogar für mich applaudiert. Das nehme ich wahr, wie gesagt: richtig realisieren kann ich das noch nicht. Das kommt, wie beim Gewinn der Europameisterschaft im Sommer, erst mit den Wochen und Monaten danach.

    Ursprünglich bist du als Nummer Zwei hinter Max Schmitt vom FC Bayern zur WM gefahren. Du hattest allerdings eine Vorahnung über deinen Einsatz, hast zuvor mit den Hachinger Teamkollegen gewitzelt, dass du ab dem Halbfinale im Tor stehst. Am Ende ist es tatsächlich so gekommen, als du den kranken Max Schmitt im Halbfinale gegen Argentinien (4:2 n.E.) sowie im Finale gegen Frankreich (4:3 n.E.) vertreten hast und mit vier gehaltenen Elfern zu WM-Helden geworden bist. Damit war nicht zu rechnen?

    (lacht) Nein, das hätte ich niemals für möglich gehalten! Dass ich es dann auch noch so gut mache und in diesen zwei Partien je zwei Elfmeter pariere, ist schon krass gewesen. Ich habe mir vor dem Auftakt zwar erhofft, dass ich ein WM-Spiel bekomme und mich dann auch solide anstelle, aber dass es so gut läuft, hätte ich nicht ahnen können. Hätte mir jemand vor vier Wochen gesagt, dass wir durch meine Aktionen am Ende Weltmeister werden, hätte ich ihm das nicht abgenommen.

    Du bist jetzt Deutschlands neuer Elfer-‚Killer‘…

    … Das ist eine lustige Geschichte. Ich habe eigentlich seit zwei Jahren keinen Elfmeter mehr gehalten. Das lag aber weniger daran, dass ich zu schlecht war, sondern eher daran, dass ich kaum Elfmeter auf das Tor bekommen habe. Ich war im letzten Jahr lange verletzt, deshalb habe ich knapp zwei Jahre kaum einen einzigen Strafstoß parieren müssen. Ich habe mir das insgeheim aber bei René (Anm. d. Red.: Vollath, Drittliga-Keeper der SpVgg Unterhaching) abgeschaut, der im Derby gegen die Löwen überragend pariert hat. Umso schöner ist es, dass ich jetzt, wo es wirklich wichtig war, vier Dinger rausgekratzt habe. Da hat sich das lange Warten doch ausgezahlt.

    Habt ihr im Turnierverlauf mitbekommen, welche Euphorie ihr in Deutschland ausgelöst habt?

    Ja, auf jeden Fall. Während der Gruppenphase war die mediale Präsenz noch nicht so groß, aber in den K.o.-Spielen wurde die Aufmerksamkeit mit jedem Spiel größer. Wir haben die Artikel im Internet und die Kommentare in den sozialen Medien gelesen. Die Unterstützung aus Deutschland hat uns extrem motiviert und letztlich auch durch das Turnier getragen.

    Ein unschönes Thema gab es während dieser WM dennoch, in den sozialen Netzwerken wurden deine Teamkollegen teilweise rassistisch beleidigt. Wie seid ihr damit umgegangen?

    Wir haben diese Kommentare als Mannschaft ebenso mitbekommen, wie die positiven Nachrichten. Es gibt immer Hass von Menschen im Internet, aber wir haben uns gesagt: diesen Personen, die eben nicht hinter uns stehen, zeigen wir es jetzt erst recht! Das war unsere Mentalität. Wir sind dadurch als Team noch enger zusammengewachsen und haben für Deutschland einfach alles auf dem Platz gelassen. Umso schöner ist es, dass so viele Menschen diese Leidenschaft jetzt wertschätzen.

    Du und deine Teamkollegen werden jetzt sogar als Vorbilder für die A-Nationalmannschaft gesehen, die im Sommer bei der EURO 2024 im eigenen Land antreten wird. Du bist auf Titelseiten, hast in den kommenden Tagen noch unzählige Pressetermine. Wie schwer ist es, in den Alltag als Schüler zurückzukehren?

    Das ist nicht schwer für mich. Ganz im Gegenteil, ich finde die Aufmerksamkeit tatsächlich angenehm. Ich beschreibe die internationalen Turniere mit dem DFB immer als Ego-Massage (lacht). Wir werden bei diesen Turnieren hochgelobt und wie Stars behandelt, aber im Endeffekt haben wir als junge Spieler noch nicht wirklich viel erreicht. Klar, wir sind jetzt Welt- und Europameister in unserem Jahrgang, aber im deutschen Profifußball muss sich jeder von uns erst einmal beweisen. Es wird ziemlich viel Trubel um uns gemacht. Ich finde das immer für den Moment tatsächlich schön.

    Apropos Trubel. Ihr habt es nach dem Titelgewinn krachen lassen. Wie war die Partynacht in Indonesien und die Ankunft am DFB-Campus in Frankfurt?

    Wir haben die Nacht alle gut verkraftet. Es ist nach dem Titelgewinn so viel Druck von unseren Schultern abgefallen. Wir waren befreit und haben als Team ausgelassen gefeiert. Am Ende waren wir von Indonesien nach Deutschland knapp 20 Stunden unterwegs. Der Empfang in Frankfurt war sehr schön! Meine Familie war dort und es war total schön, sie nach dieser langen und kräftezehrenden Reise wieder in den Arm zu nehmen. So viele Leute sind extra nach Frankfurt gekommen, das war etwas sehr Besonderes. Wir haben dann alle gemeinsam mit unseren Familien gefrühstückt. Das war der Moment für mich, diesen außergewöhnlichen Monat zum ersten Mal etwas Revue passieren zu lassen.

    Wie haben deine Eltern, die nicht in Indonesien dabei sein konnten, den WM-Sieg erlebt?

    Meine Familie war zu Hause in Kirchheim. Ich bin zu Beginn als zweiter Torwart zur WM gefahren. Als Max Schmitt krank wurde, kam ich im Halbfinale kurzfristig zum Einsatz. Und dann war gar nicht klar, ob ich das Finale überhaupt spielen werden oder Max wieder fit wird. Das ist alles sehr kurzfristig entschieden worden und durch die lange Flugzeit nach Indonesien habe ich zu meinen Eltern gesagt, dass sie lieber zu Hause bleiben und Fernsehen schauen sollen.

    Jetzt steht für dich eine Mathe-Klausur an. Bist du in Geometrie und Analysis genauso gut wie im Tor?

    (lacht) Nein, auf gar keinen Fall. Mathe wird richtig interessant. Da darf ich mich in den nächsten Tagen noch mal ordentlich hinsetzen und lernen.

    Im Gymnasium stehen für dich direkt die nächsten Prüfungen an. Wie sieht denn deine sportliche Zukunft aus?

    Es ist wichtig, jetzt die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich möchte bei der SpVgg Unterhaching bleiben, weil ich davon überzeugt bin, dass ich hier die besten Möglichkeiten habe, im Profibereich Fuß zu fassen.

    Der Verein plant mit dir. Du wirst als nächster Stammtorhüter der SpVgg gehandelt und sollst in der kommenden Spielzeit in die Fußstapfen von Routinier René Vollath treten.

    Ich bin davon überzeugt, dass ich hier den Sprung in den Profifußball schaffen kann und der Verein mir die Möglichkeiten gibt, die ich sonst bei keinem anderen Klub in Deutschland auf diesem Niveau vorfinden würde. An erster Stelle steht jetzt aber das Abitur im nächsten Jahr. Darauf bereite ich mich aktuell vor. Erst das Abitur bestehen, dann Stammkeeper in Haching werden – das wäre unfassbar. Es gilt jetzt, hart weiterzuarbeiten und mir den Traum vom Profifußball zu erfüllen.

    Ist dein Papa Günter hinterher, wenn es um die Abiturvorbereitung geht?

    Ja, extrem sogar. Er unterstützt mich und möchte, dass ich mich neben dem Leistungssport auf die Schule konzentriere. Ich glaube, wenn ich das Abitur nicht schaffen würde, dann wird es zu Hause erst einmal brennen (lacht). Spaß beiseite! Ich muss mein Abitur selbst machen und bestehen, sollte ich im Sommer durchfallen, würde es mit dem Profiplatz in Unterhaching nichts werden. Ich müsste dann erst die Schule weitermachen, das würde mit den Trainingszeiten nicht funktionieren. Deshalb ist es wichtig, dass ich mein Abitur mache und dann in Unterhaching angreife.

    Du hast bereits dein Drittliga-Debüt für die SpVgg Unterhaching feiern dürfen. Anfang Oktober standest du beim 0:1 (0:0) in Duisburg erstmals für die Profis in der dritten Liga zwischen den Pfosten. Wie geduldig musst du bei deinen nächsten Schritten sein?

    Im ersten Moment ist es cool, überall seinen Namen zu lesen. Aber diese Euphorie wird in den nächsten Wochen und Monaten wieder nachlassen. Ich versuche deshalb bewusst, nicht alle Prognosen über mich zu lesen, weil man schnell darin verfällt, zufrieden mit dem Erreichten zu sein. Ich weiß, dass ich im Herrenbereich noch nichts gerissen habe. Deshalb bin genauso hungrig wie davor und möchte in Zukunft regelmäßig in der dritten Liga auflaufen. Diese Weltmeisterschaft hat mir den Anreiz gegeben, weiterhin richtig Gas zu geben.

    Dein Jugendtrainer Christian Scheidweiler vom Kirchheimer SC hat verraten, dass du damals auch ein guter Verteidiger hättest werden können. Bist du heute froh, im Tor zu stehen?

    Definitiv. Früher habe ich eigentlich auf allen Positionen gespielt. Ich war Verteidiger, im Mittelfeld und im Sturm unterwegs. Dann bin ich Torwart geworden. Das gefällt auch meinem Papa am besten. Aus seiner Sicht ist es ‚leider‘ nur nicht das Handballtor geworden.

    Du hast das Keeper-Gen also von deinem Papa geerbt?

    Er ist heute noch Handball-Torwarttrainer beim SV Anzing in der Landesliga. Ich schaue mir auch oft die Spiele von meinem Papa an, wenn er als Coach im Einsatz ist. Der Bezug zum Handball und besonders zur Torwartposition war in meiner Familie immer da.

    Du wirst in Haching von deinen Teamkollegen oft ‚Eddy‘ genannt. Woher kommt dieser Spitzname?

    (lacht) Das ist jetzt zweieinhalb Jahre her. Im Trainingslager mit den Profis müssen die Neuen zum Einstand immer ein Lied vor der Mannschaft singen. Ich hatte mir damals ‚Shape of You‘ von Ed Sheeran ausgesucht, weil das ganz gut mit meinen roten Haaren passt. Wir sehen uns ähnlich. Die Performance war gut, die Jungs haben es gefeiert und dann wurde ich von unserem Kapitän Markus Schwabl ‚Eddy‘ getauft, dieser Spitzname ist bis heute geblieben.

    Wie wichtig ist es, dass erfahrene Spieler wie Markus Schwabl oder Torhüter René Vollath, dich als jungen Nachwuchsspieler unterstützen?

    Das ist sehr wichtig für meine Entwicklung und etwas, das Unterhaching auszeichnet. Es gibt hier eine vereinseigene Torwart-Akademie, in der junge Keeper optimal ausgebildet werden. Die erfahrenen Spieler im Team wie René bringen unheimlich viel Wissen mit. Mit ihm zu trainieren, macht mich Tag für Tag besser, weil er mir neue Sachen beibringen kann und mich fördert.

    Wie sieht diese Zusammenarbeit konkret aus?

    Bei der Weltmeisterschaft hatte ich das Problem, von jetzt auf gleich vor dem Halbfinale in den richtigen Fokus zu kommen. Ich habe vor dem Spiel mit René gesprochen. Er hat sich viel Zeit für mich genommen und mir erklärt, wie ich mich gezielter vorbereiten kann. Seine Ratschläge haben mir in dieser Situation extrem geholfen.

    Nach dem Finale feierten dich deine Teamkollegen lautstark im Mannschaftsbus. Sie stimmten den Song ‚Heide on fire‘ an. Wie war das, als Held gefeiert zu werden?

    Großartig. Einfach cool. Die Stimmung war sehr besonders und ich werde dieses Gefühl nach dem WM-Sieg niemals vergessen. Es ehrt mich, wenn die ganze Mannschaft und alle Betreuer einen so abfeiern und deinen Namen rufen. So etwas habe ich bisher noch nie erlebt.

    Und hören wir die neugedichtete Weltmeister-Version des Songs ‚Freed from desire‘ dieses Jahr dann noch auf Spotify?

    (lacht) Auf keinen Fall. Die Gesangseinlage der Jungs war zwar laut, aber viel zu schräg. Dafür reicht es dann doch nicht.

    Fabian Frühwirth

    Zur Tabelle der dritten Liga

    Geschrieben von:  Stephan R.T.

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