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  • Eintracht Frankfurt, 02. Mai 2011

     

    Ultras Frankfurt wehren sich gegen Vorwürfe


    Von:  Stephan R.T.

    Viel ist am gestrigen Tag über die Vorfälle rund um die Frankfurter WM-Arena am Samstagnachmittag geschrieben wurden, die alleinige Schuld wurde dabei wie immer den Fans zugeschoben. Doch die Frankfurter Ultras wehren sich gegen die einseitige Einstellung und haben ihrerseits die Vorfälle dokumentiert.

    Information zu den Ereignissen am Waldstadion

    Ihr wisst, dass wir uns nur sehr selten mit größeren Mitteilungen zu Wort melden, nach den gestrigen Vorfällen rund ums Waldstadion sind wir allerdings an einem Punkt, an dem wir uns äußern müssen. Wir können es nicht akzeptieren, dass einmal mehr Polizeiberichte abgetippt werden, die gespickt mit Lügen sind. Am Samstagabend haben sich Dinge zugetragen, die über jede Grenze hinausgehen: Vor der Gegentribüne unseres Waldstadions wurde am gestrigen Abend von einem Polizisten ein Warnschuss aus einer scharfen Waffe abgegeben.

    Wie konnte es dazu kommen?

    Nach der Niederlage in Mainz herrschte eine große Fassungslosigkeit und Wut, aber ganz besonders Enttäuschung und Trauer. Die Gründe dafür müssen wir sicherlich keinem Eintrachtfan und niemandem, der die Entwicklung unserer SGE verfolgt hat, näher erklären.

    Wie es in den vergangenen Jahren schon mehrfach getan wurde, traf man den Entschluss, die Mannschaft zur Rede zu stellen. Wir wollen die Situation so detailliert, wie es uns aktuell möglich ist, darstellen, um jedes Missverständnis und jede falsche Darstellung aufzuklären.

    Eine größere Gruppe verließ um kurz nach 18 Uhr die S-Bahn aus Mainz kommend, und ging zum Stadion. Die Polizeipräsenz, die uns dort erwartete, war bereits enorm und völlig unverständlich – was hat man erwartet, was dort passiert?

    Die Polizei hatte einige Wege und Zugänge zum Stadion geschlossen, verfolgte das Ziel das Stadionumfeld abzusperren, allerdings zu diesem Zeitpunkt noch passiv. Die Gruppe umlief das Stadion über die Flughafenstraße, danach auf den Fußwegen parallel zur Mörfelder Landstraße/B44.

    Hier sicherten Polizeikräfte die Zugänge zum Stadion, und zu diesem Zeitpunkt hatte nicht ein Eintracht-Fan die Bundesstraße oder das Stadiongelände betreten, jedoch sperrte die Polizei sofort die gesamte B43 und B44. Ein Rückstau auf die A3 bildete sich, auch ein Polizeihelikopter schwebte bereits nach wenigen Minuten im Tiefflug über der Fangruppe.

    Nachdem offenbar keine Autos mehr fuhren, traten Minuten nach der Absperrung einige Leute auf die Fahrbahn, um sich das Schauspiel des Rückstaus auf die A3 anzusehen. Eine Verkehrsgefährdung war zu keiner Zeit gegeben, die ganze Aktion kann eigentlich nur als blinder Aktionismus bezeichnet werden, da sicherlich niemand freiwillig auf eine vielbefahrene Bundesstraße rennen würde.

    Der Mannschaftsbus fuhr irgendwann auf der Bundesstraße gegenüber in Richtung Otto-Fleck Schneise ab, worauf sich eine Personengruppe in diese Richtung bewegte. Dies als versuchten Busangriff auszulegen, erfordert schon sehr viel Fantasie. Ebenso ist der Bus nicht in die (geschlossene) Tiefgarage des Stadions geflüchtet, vielmehr fuhr er die gesperrte Otto-Fleck-Schneise entlang und parkte auf seinem üblichen Platz hinter der Kurve. Unentschlossen, wie es nun weitergehen würde, verstreute sich die Fangruppe schnell und war kurze Zeit später um das ganze Stadion verteilt.

    Eine ca. 30-köpfige Gruppe, die im Bereich der Hauptzufahrt des Stadions wartete, bekam von Seiten der Fanbetreuung von Eintracht Frankfurt die Information, dass die Mannschaft zu einem Gespräch bereit sei und man sich im Bereich der Wintersporthalle treffen wolle. Da diese am genau gegenüberliegenden Punkt des Stadions liegt und die Zufahrtsstraßen abgesperrt waren, entschied man sich dafür, den Weg durch das Stadiongelände (vorbei an Museum und Fanshop) zu nehmen.

    Die Ankunft im Bereich der Nordwestkurve wurde von den anwesenden Angestellten von Eintracht Frankfurt zunächst auch sehr gelassen aufgenommen. Am oberen Ende des geschlossenen Treppenaufgangs zur Nordwestkurve standen allerdings einige in zivil gekleidete Personen (die von uns zu diesem Zeitpunkt ebenfalls der Eintracht Frankfurt Unternehmenssicherheit zugeordnet wurden), teilweise mit Knüppeln bewaffnet, und beobachteten die Situation. Aufgrund dieses Auftretens kam es zu einigen Wortgefechten, die sich aber rasch wieder beruhigten.

    Die Gruppe lief nun den unteren Weg, am Trainingsplatz der Wintersporthalle vorbei, zum Eingang Wintersporthalle. Nachdem die Information kam, dass lediglich der Trainer und drei Spieler, der Erfahrung nach diejenigen, die ohnehin der Fanszene offen gegenüber stehen, sich dem Gespräch stellen wollten, machte sich deutliche Unzufriedenheit breit, was zu internen Diskussionen führte. Die Gruppe war mittlerweile am unteren Ende der Rampe angekommen, die zur Ecke Nordwestkurve/Gegentribüne führt, währenddessen standen andere der ums Stadion verstreuten Fans mittlerweile am Eingang, wurden aber teilweise von Polizisten in Richtung Gleisdreieck abgedrängt.

    Die Gruppe am unteren Ende der Rampe bewegte sich nun demonstrativ in den inneren Bereich, also auf die Rampe, während einige Mitarbeiter von Eintracht Frankfurt das Schiebetor zu dieser Rampe verschließen wollten. Dabei kam es aber weder zu Gewalt noch zu anderen Provokationen. Im Übrigen befanden sich währenddessen sowohl die Fanbetreuung und der Sicherheitschef von Eintracht Frankfurt, als auch ‚szenekundige Beamte‘ der Frankfurter Polizei in unmittelbarer Nähe.

    Diesen genannten Anwesenden waren die Mitglieder der auf der Rampe stehenden Personengruppe nahezu flächendeckend bekannt. Ebenso auf der Rampe, allerdings im oberen Bereich, befanden sich einige in zivil gekleidete, unbekannte Leute. Nach und nach erschienen auch jene Personen, die zuvor mit gezückten Schlagstöcken für Provokation gesorgt hatten und beobachteten die Situation, die weitestgehend aus Gesprächen innerhalb der Personengruppe und auch mit der Fanbetreuung bestand.

    Eine der zivil gekleideten (uns unbekannten) Personen, ein junger Mann mit einem grauen Kapuzenpullover und dunkler Baseballcap, der mit der Situation offensichtlich mehr als überfordert war, stand plötzlich mit gezückter Schusswaffe ca. zwanzig Meter vor der Personengruppe. Er gab sich nicht als Polizist zu erkennen und stand inmitten anderer zivil gekleideter Personen und Mitarbeitern der Unternehmenssicherheit von Eintracht Frankfurt. Wie oben schon erwähnt, wurde er auch diesen zugeordnet – viele Vorgänge in der Vergangenheit haben schließlich gezeigt, dass einige Mitarbeiter der Unternehmenssicherheit sich offenbar als Hilfspolizisten sehen und teilweise quasi ‚paramilitärisch‘ inszenieren. Daher kommt diese Vermutung.

    Nach dem Entdecken der gezogenen Waffe, ging eine Gruppe langsam, aber mit deutlichen Worten auf die genannte Person und die umstehenden, mit Schlagstöcken ausgerüsteten, Personen zu. Es wurden Fragen gestellt, was diese Provokation bezwecken solle, welchen Zweck diese Aktion habe, wo die Gefahr sei, wo die Verhältnismäßigkeit sei und ob er die Gruppe erschießen wolle. Stark nervös steckte er die Waffe kurzzeitig weg, zog sie aber nach einigen Sekunden erneut. Die Bedrohung durch eine Schusswaffe war der Auslöser, der die Stimmung nun endgültig umschlagen ließ. Damit wurde eindeutig eine Grenze überschritten!

    Ca. 15 Personen gingen in die Richtung der Person und forderten ihn auf zu schießen, es kam dabei auch zu Beschimpfungen der Person. Völlig verunsichert hatte diese weiter die Schusswaffe in der Hand und wich rückwärts laufend, ca. zehn Meter von der Personengruppe entfernt, zurück. Zwei bis drei andere zivil gekleidete Personen begleiteten den Mann, teilweise mit Schlagstöcken in der Hand.

    Alle anderen anwesenden Polizisten, ‚szenekundigen Beamten‘ und Sicherheitskräfte verblieben im Bereich der Nordwestkurve und überließen die vier Personen alleine dieser Situation, niemand erklärte zu diesem Zeitpunkt, dass es sich um einen Polizisten handelte. Dies wurde erst später – lange nachdem sich die Situation zugetragen hatte – mitgeteilt.

    Durch die von ihm offensichtlich empfundene Bedrohung verlor er die Nerven und gab einen Warnschuss in die Luft ab, ohne vorher irgendeine Warnung auszusprechen. Zwischenzeitlich richtete er die Waffe auch direkt auf einzelne Leute aus der Gruppe. Der Warnschuss löste nun bei den Personen eine ungeheure Wut aus, noch nie hat jemand aus unserer Gruppe erlebt, wie eine Situation ohne einen Anlass derart eskaliert ist und ein Polizist durch den Verlust aller Sinne zur Bedrohung für unser Leben wird. Einige Leute gingen weiterhin auf ihn zu und forderten ihn zum Schießen auf.

    Festzuhalten bleibt, dass der Schütze zu keinem Zeitpunkt eingekesselt war und immer einen freien Fluchtweg nach hinten hatte, auch stand bei Abgabe des Schusses niemand aus unserer Gruppe im Umkreis von 5m um den Schützen herum.

    Im Bereich der Ostkurve wurde versucht, die Person zu fotografieren. Der Schütze versuchte sich dem zu entziehen, indem er sich schließlich umdrehte und seine Kapuze überzog. Nun erreichten mehrere Einsatzwagen der Polizei die Szenerie, der Schütze nutzte die Situation, um wegzurennen. Die ankommenden Polizisten liefen in dem Bereich wüst umher und knüppelten die Personengruppe zurück zum Bereich der Nordwestkurve.

    Ein junger, nahezu panischer, Zivilpolizist aus der Gruppe des Schützen kam zurückgeeilt und ergriff in Anwesenheit des Sicherheitsbeauftragten von Eintracht Frankfurt und eines ‚szenekundigen Beamten‘ eine Person, die den Schützen fotografiert hatte und forderte die Herausgabe des Fotos.

    Eingetroffene uniformierte Polizisten schlossen sich direkt unter Drohungen und Beleidigungen der Forderung an und rissen der Person ihr Mobiltelefon aus der Hand, um es zu beschlagnahmen. Anschließend konnte geklärt werden, dass gegen die Herausgabe des Telefons, vor den Augen eines ‚szenekundigen Beamten‘, die Bilder gelöscht werden mussten. Auch diese erzwungene Vernichtung von eigenem Beweismaterial zeigt deutlich, dass der Polizist in reiner Überforderung gehandelt hat und panisch auf deren Löschung bestand. In Anbetracht des über der Szenerie kreisenden Helikopters eine so verzweifelte wie sinnfreie Aktion. Einige Bilder konnten allerdings zuvor gesichert werden.

    Immer neu ankommende Polizisten verfolgten nun einige der Fans, die sich im Stadionumlauf befanden und augenscheinlich aktuell das Stadion verließen, einige Personen wurden mit Kabelbindern gefesselt und in Gewahrsam genommen. Das Gespräch mit den Spielern konnte selbstverständlich unter diesen Eindrücken nicht stattfinden, nach weiteren Personenkontrollen und andernorts Festnahmen, löste sich die Situation am Stadion auf.

    Die anwesenden ‚Journalisten‘ der Bild-Zeitung weigerten sich unterdessen, mit den Festgenommenen zu reden und verließen sich auf die Darstellung der Polizei.

    Zusammengefasst: Wir waren alle den meisten anwesenden Personen von Polizei, Fanbetreuung und Sicherheitsdienst persönlich bekannt, diese konnten die Lage einschätzen und verhielten sich entspannt. Ausschließlich die uns unbekannten Personen mit Knüppeln und Schusswaffen führten zur Eskalation der Lage.

    Soweit die, äußerst detaillierte, Darstellung der Geschehnisse, es fällt uns schwer unter dem Eindruck dieses Tages nun einfach zur Tagesordnung überzugehen.

    Ultras Frankfurt 1997, Mai 2011

    Geschrieben von:  Stephan R.T.

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