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  • 1. FC Union Berlin, 05. November 2008

    Zwischenfazit der dritten Liga aus Sicht des Spitzenreiters


    Von:  Jacksack

    Gut ein Drittel der Premierensaison der 3. Liga ist absolviert, und den Platz an der Sonne nimmt im Moment knapp und etwas überraschend der 1. FC Union Berlin ein. Stellt sich die Frage, warum. Vier Aspekte sollen versuchen, den Höhenflug zu ergründen, wenn auch nicht komplett zu erklären.

    1. Die Qualität der Liga

    Viel wurde vor Saisonstart gerätselt, ob die Einführung der 3. Liga als eingleisiger Unterbau der beiden ‚Premiumprodukte’ das halten würde, was man sich davon versprach. Zum einen wäre dabei die höhere sportliche Qualität zu nennen, das klingt doch auch irgendwie logisch - aus 37 mach 20. Die Grundintention, und hier soll nicht über die grundsätzlichen Änderungen im Ligensystem Deutschlands gemutmaßt und gewertet werden, war natürlich, die Lücke zur 2. Liga zu schließen. In England, bekanntermaßen selbsternanntes Mutterland des Fußballs und Heimat der beiden Finalisten der Champions League 2007/08, ist Eingleisigkeit bis in die 5. Liga hinab vertreten, in den anderen beiden ‚großen’ Ligen, Spanien (4 Staffeln) und Italien (2 Staffeln) hingegen wird ab der 3. Liga mehrgleisig gefahren. Einen Königsweg scheint ohne weiteres es nicht zu geben.

    Hat sich die Hoffnung nach mehr Qualität erfüllt? Nun, die Antwort ist ein klares Jein. Nimmt man allein die Statistik, so fällt auf, dass es zumindest in der letzten Saison in der Regionalliga Nord wesentlich knapper zuging, als derzeit in der 3. Liga. Am Ende trennten den 3. und den 11. nur 11 Punkte, im Moment sind es auch schon wieder 10 Punkte. Dies ist jedoch nicht automatisch ein Argument gegen eine höhere Qualität. Vor allem in der letzten (Qualifikations-)Saison hatten alle Vereine erheblich investiert, um die vermeintlich überlebenswichtige 3. Liga zu erreichen. Dies ist zumindest ein Hinweis darauf, warum die eher ungewöhnliche Dichte zustande kam. Außerdem ist Leistungsdichte nicht gleich Qualität. Waren beispielsweise im letzten Jahr noch absolut chancenlose Truppen unterwegs, die allenfalls durch Glück und/oder andere Hilfen, wie Profis bei den Zweitvertretungen, Siege errangen (Wolfsburg II, Lübeck, Babelsberg, Oggersheim), so scheint in dieser Saison niemand völlig chancenlos zu sein. Selbst der Tabellenletzte, die StuKis, sind noch lange nicht weg vom Fenster, und auch bei anderen Vereinen, die tief unten drin stehen, ist davon auszugehen, dass abgeschlagen zu werden vermutlich eher spät in der Saison stattfinden wird. Auch lediglich drei Absteiger bei 20 Teilnehmern bilden selbst für den letzten ein psychologisches Polster, vor allem verglichen mit dem letzten Jahr. Und wir wissen ja, Fußball findet irgendwie nicht nur bei Premiere, sondern auch im Kopf statt. Dies darf als Vermutung angesehen werden.

    2. Die Qualität von Union

    Der derzeitige Spitzenreiter besaß schon im letzten Jahr Qualität, nicht umsonst spielte man theoretisch bis zum letzten Spieltag um den Aufstieg mit. Von dieser Mannschaft wurden keine wichtigen Spieler abgegeben, der einzige, der mindestens durchschnittliche sportliche Qualitäten hatte, war Guido Spork. Seine „Einstellung zum Fußball“ und einige interne Querelen sorgten jedoch für seine Ausmusterung. Hinzugekommen und als echte Verstärkung zu betrachten sind drittligaerfahrene Akteure, wie Hüzeyfe ‚Youssuf’ Dogan aus Wuppertal und für die vakante Linksverteidigerposition Patrick Kohlmann aus Erfurt. Das ist natürlich wenig in der Menge, aber da Union im letzten Jahr auf eine relativ gut funktionierende Mannschaft zurückgreifen konnte, musste nach Meinung der Verantwortlichen und unter Berücksichtigung der Finanzen nicht mehr getan werden.

    Schon in der Vorsaison war Union eine der spielstärksten Mannschaften der Regionalliga, die jedoch viele Big Points vermasselte und oftmals unkonstant spielte. Diese Schwächen scheinen in dieser Saison abgestellt worden zu sein, sicherlich zu einem großen Teil ein Verdienst des besonnenen Trainers Neuhaus, dem der Kicker einst attestierte „sich im teilweise selbstverliebten Umfeld Unions behaupten zu können“. Zurecht.

    Von den Namen her ist sicherlich der Sturm das Prunkstück, Benyamina, Patschinski, Biran, Heun - alles keine Unbekannten. Und es klappt, trotz individueller Schwächen ergänzen sich die Stürmer bisher erstaunlich gut, und 17 Stürmertore sind stark. Aber auch die Abwehr, trotz des ewig scheinenden Ausfalls von Kapitän und U21-Nationalspieler A.D. Schulz und trotz der fast in gleicher Zusammensetzung gefressenen 49 Gegentore der letzten Saison, macht einen sehr guten Eindruck. Steven Ruprecht hat nicht nur erheblich Muskelmasse zu- sondern auch an bis auf die Ränge übertragene Nervosität abgelegt und mausert sich zu einem überdurchschnittlichen Drittligaverteidiger. Auch Daniel Göhlert spielt eine souveräne Saison bisher, Stuff, Bemben und Kohlmann ergänzen den Defensivverbund, in dem auch der junge Christoph Menz vermehrt Spielminuten bekommt. Die Abstimmung der Abwehr vor dem ruhigen und ebenfalls überdurchschnittlichen Keeper Glinker mit dem Rest des Teams funktioniert im Allgemeinen gut, lediglich Einzelspiele, wie gegen Braunschweig, also man quasi im 5-0-5 spielte, trüben diesen Eindruck ein wenig. Das Mittelfeld um den überragenden Altmeister Gebhardt ist zwar nicht über jeden Zweifel erhaben, aber im Zweifelsfall spielt immer einer von den vieren oder fünfen wesentlich besser als der darbende Rest, und dass Mattuschka (in Dresden), Gebhardt (eigentlich immer), Dogan (in Bremen) oder Younga-Mouhani (als 6er gegen Düsseldorf) mehr oder weniger mit Einzelleistungen Spiele, nun ja, nicht drehen, aber in die richtige Richtung anschubsen können, hat man in der Saison schon des Öfteren gesehen.

    Da fällt es fast nicht ins Gewicht, dass Union doch schon einiges Verletzungspech (Heun, Schulz, Benyamina, Biran, Ruprecht) zu beklagen hatte und hat. Der Kader ist qualitativ gut aufgestellt und innerhalb der Mannschaft ‚scheint es auch zu stimmen’. Ich hasse diese Formulierung.

    3. Die Qualität der Gegner und ihre Reihenfolge

    Die Ansetzungen wollten es nun einmal so, dass Union am Anfang gegen eher schwächere Mannschaften antreten durfte. Dies war vielleicht vor der Saison nicht so zu sehen anhand der Namen der Kontrahenten, ist aber eine rückwirkende Wertung und damit gesichert ;). Die Statistik sagte, dass vor dem 10. Spieltag nur gegen Gegner aus der unteren Tabellenhälfte angetreten wurde. Ausnahme: Bayern II, aber das war am 1. Spieltag auch die einzige Niederlage bisher. Der erste richtige Gradmesser war dann das denkwürdige Spiel gegen Paderborn, in dem - wir erinnern uns, Kopfsache und so... - mit geballtem Selbstbewußtsein und einem Tacken Glück die Tabellenspitze erobert werden konnte.

    Wenn nun also erst Selbstbewußtsein gesammelt werden kann und dann gegen die Großen angetreten wird ... wer erkennt darin nicht einen Vorteil? Der Nachteil, der sich natürlich automatisch ergibt, ist, dass die dicken Brocken dann in der Folge, vor allem in der eventuell aufstiegsentscheidenden Rückrunde, gehäuft kommen. Paderborn, Düsseldorf, Haching, Sandhausen (jaja, tut weh, das zu schreiben), Aue, Erfurt und Emden werden jeweils erst in der zweiten Hälfte der Runden gespielt. Wenn nun, wie gegen Paderborn und Düsseldorf, daraus auch noch Erfolgserlebnisse wachsen, kann dies durchaus zu einem Selbstläufer werden. 12 Spiele in Folge ohne Niederlage mit 28 Punkten sind ein guter Beleg dafür. Abzuwarten bleibt jedoch, ob noch der eigentlich nicht überraschende Einbruch kommen wird, aber dann kommen am Anfang der Rückrunde ja wieder Stuttgart II und Burghausen als Gegner... Ein anderer Aspekt, der zum großen Teil auch zu 2. gehört ist jedoch auch, dass Marco Gebhardt mit seinen gefühlten 47 Jahren vermutlich während der Saison (wieder) abbauen wird. Ein alter Mann ist schließlich kein Duracelhäschen. Aber vielleicht schafft es ja einer der anderen Jungspunde dann endlich mal, konstant für Überraschendes und Spielentscheidendes zu sorgen.

    4. Der F.-L.-Jahn-Sportpark

    In der letzten Saison hat Union schlichtweg zu viele Punkte an der Alten Försterei liegen gelassen. Nun wird ja bekanntermaßen von den Unionfans in Heimarbeit das Stadion ‚umgebaut’ und deshalb im wenig geliebten Jahnsportpark gespielt. Man mag über das Stadion denken was man will, aber mit der beeindruckenden Heimbilanz (7 Spiele, 17 Punkte, 15:4 Tore) wird dem ein oder anderen die temporäre Verpflanzung etwas erträglicher gemacht. Warum dies jedoch so ist - keine Ahnung. Mit Mielke hat es meiner Ansicht nach eher wenig zu tun. Der Auswärtsspielcharakter beflügelt anscheinend. Auch wenn es immer Auswärtsspiele mit einer überschaubaren Menge an Heimfans sind, aber auch das kennt man von Union ja aus Wilhelmshaven, Verl, Lübeck oder Emden ;). Vielleicht ist es ja auch so, dass der Einsatz der Fans beim Stadionbau auch bei den Profis etwas Motivation freisetzt ... ach nee, das glaube ich selbst nicht. Außer bei Sebastian Bönig, aber der hängt lieber auf Zäunen herum und spielt fast nie.

    Es bleibt zu hoffen, dass dieser Erfolg auch in die neue Försterei mitgenommen werden kann, aber selbst wenn nicht, wird es wohl keinen geben, der sich dann für eine Rückkehr in den Prenzlauer Berg aussprechen würde, und das ist doch beruhigend. Aber das Einsingen für das neue Dach wird durch die ungeliebte Umgebung auch nicht wirklich erschwert, zudem hat man bei einigen Zuschauern ohnehin nicht den Eindruck, dass sie zu Spielbeginn die Alte Försterei noch scharf vom Santiago Bernabeu oder einem Dackel abgrenzen könnten. Aber das nur nebenbei, gehört wirklich nicht hierher, bleibt aber trotzdem.

    5. Resumé

    Sagen wir es mal so: dass der 1. FC Union Berlin ganz vorne steht, ist schon in der Form nicht zu erwarten gewesen. Angesichts der o.g. Tatsachen jedoch auch in gewisser Weise verständlich. Vor allem vor dem Hintergrund der Ansetzungen, mit ein paar derzeit verletzten starken Spielern, und sei es auch nur als Alternative zu schwächelnden Stammspielern, in der Hinterhand, und der hoffentlichen Euphorie in einer überdachten Försterei als Spitzenreiter zu spielen - warum sollte nicht Union die Spitze behalten? Niemand wird so blauäugig sein, auf eine Serie von ungeschlagenen 37 Spielen zu spekulieren, aber ein Aufstieg scheint nicht nur mittelbar im Bereich des Möglichen zu sein. Dass die Spitzenmannschaften den Punkteschnitt von derzeit fast 2,2 PpS halten können, ist auch fraglich, jeder wird mal kleinere Hänger haben. Eine weitere Frage, die sich stellt, ist, ob abgesehen vom Finanziellen, die 2. Liga interessanter ist als die dritte. Aber das soll uns bitte ein anderes mal beschäftigen und bestimmt wird die neue Försterei auch im Landespokal immer ausverkauft sein. Mindestens!

    Zur Tabelle der dritten Liga

    Geschrieben von:  Jacksack

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