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  • Hertha BSC, 22. Februar 2008

    „Den richtig dummen Profi gibt es nicht mehr“


    Von:  Anne80

    Das Thema Medienschulung für Fußballprofis ist zwar nicht ganz neu, aber mit steigender Medienpräsenz des Fußballs aktueller denn je. Das Phänomen polarisiert. Auf der einen Seite wird argumentiert, dass die Schulungen und Vorbereitungen im Umgang mit den Medien, die Spieler davor schützen sollen, sich lächerlich zu machen, oder sich in unangenehme Situationen zu bringen. Andererseits droht dadurch der Verfall der Berichterstattung über Fußball, in eine emotionslose Monotonie, die von standardisierten und generalisierten Antworten seitens der Fußballakteure geprägt ist.

    In unserem Interviews mit die-fans.de erzählt Hans-Georg Felder, Pressesprecher von Hertha BSC, wie es um die Medienschulungen in seinem Verein steht, wann Medienschulungen ein Thema geworden sind und ob seine Spieler das Bedürfnis haben, sich diesbezüglich schulen zu lassen.

    Seit wann gibt es bei Hertha BSC eine Medienschulung und warum?

    Eine Medienschulung in dem Sinne gibt es bei Hertha BSC nicht. Wir bieten den Spielern lediglich an, dass wir behilflich sind, wenn sie sich unsicher fühlen im Umgang mit Medien. Es gibt keine festen wöchentlichen oder monatlichen Termine, an denen wir eine Kamera aufbauen und uns professionelle Hilfe holen, um Interviewtechniken zu vermitteln, beispielsweise wie ich mich vor der Kamera bewege. Vor ein paar Monaten habe ich den A- und B-Jugendmannschaften etwas über die Berliner Medienlandschaft erzählt. Da ging es um die Unterschiede zwischen Boulevard-Zeitungen und Abo-Zeitungen und deren Arbeitsweise.

    Ich glaube, das besondere am Fußball sind die Emotionen. Und deswegen möchte ich als Fußball-Fan nach dem Abpfiff Emotionen sehen und keine standardisierten Interviews. Wenn Oliver Kahn sich hinstellt und sagt: „Wir brauchen Eier“, dann hätte ich ihm den Satz wahrscheinlich niemals vorher gesagt, aber davon lebt der Fußball. Außerdem ist jedes Fußballspiel anders, jedes Ergebnis ist anders und es gibt andere Entscheidungen. Das hat zur Folge, dass der Adrenalinspiegel unterschiedlich hoch ist. Ich habe nach dem Spiel die Freiheit, Spieler zum TV-Interview zu schicken oder nicht. Damit kann ich die Spieler nach strittigen Szenen auch schützen. Das Gleiche gilt für den Trainer, mit dem ich knappe Entscheidungen vor dem Interview noch mal bespreche, damit er nicht auf den Schiedsrichter losgeht.

    Hertha BSC stellt den Spielern frei, ob die Presseabteilung gegebene Interviews autorisieren soll. Es ist allerdings dann gewährleistet, dass der Spieler keine Dinge erzählt, die dem Verein nicht gefallen könnten. Davor wollen wir ihn eigentlich schützen. Klar ist natürlich auch, dass die Spieler unserer Mannschaft auch Imageträger des Vereins sind. Und deswegen möchte ich, dass der Verein entsprechend in der Öffentlichkeit repräsentiert wird. Dazu gehört, dass sie freundlich sind und klare Sätze formulieren können.

    Ist das nur bei Hertha so? Wissen Sie von anderen Vereinen, dass da mehr gemacht wird?

    Ja, es gibt sicherlich Unterschiede. Ich habe von Vereinen gehört, die aktive Medienschulungen durchgeführt haben. Meistens sind es ehemalige Fernseh-Kommentatoren, die ihre Erfahrungen in solchen Schulungen weitergeben. Solche Angebote bekommen wir auch häufig, aber die Kosten sind schon ziemlich hoch. Daher versuchen wir, den Spielern auf kleinerer Ebene zu helfen und sie auf solche Situationen vorzubereiten. Ich bin eher der Verfechter des ‚learning-by-doing’. Dass man dabei auch mal einen Fehler macht, damit muss man rechnen. Wichtig ist, dass man aus den Fehlern lernt.

    Können Sie einen Zeitpunkt festmachen, an dem Medienschulungen plötzlich ein Thema wurden?

    Das Thema war latent eigentlich immer vorhanden. Mit der gestiegenen Fernsehpräsenz des Fußballs hat es aber an Bedeutung zugenommen.

    Es gibt also von Seiten der Spieler kein Bedürfnis nach einer Medienschulung?

    Nein, an mich ist dieses Bedürfnis noch nicht herangetragen worden und wir als Verein verpflichten die Spieler auch nicht dazu. Hin und wieder gibt es eben mal externe Angebote, eine Schulung durchzuführen, aber die sind nicht ganz billig.

    Sehen Sie in der Aktualität von Medienschulungen Parallelen zu dem Phänomen der Spielerberater? Inwiefern kann hier von Professionalisierung die Rede sein?

    Das würde ich getrennt voneinander betrachten. Natürlich gibt es den Beruf des Spielerberaters schon relativ lange. Für mich ist der Urvater der Spielerberater Norbert Pflippen, der damals Lothar Matthäus zu seiner aktiven Zeit betreut hat. Das liegt schon einige Jahre zurück. Mittlerweile hat die Anzahl der Spielerberater ziemlich zugenommen. Die Nachfrage nach Medienschulungen hat in den vergangenen Jahren auch zugenommen. Damals gab es vielleicht drei Kameras im Stadion, mittlerweile gibt es kein Stadion mehr, in dem unter zwölf Kameras bei einem Spiel installiert sind. Das heißt, dass die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit größer geworden ist. Fußball ist populär und bewegt die Massen. Mit der größeren medialen Aufmerksamkeit ist auch das Interesse an Medienschulungen gestiegen. So ein Fußballverein ist ein gläsernes Gebäude, in dem jeder Schritt beobachtet wird, ob beim Training oder bei den Spielen.

    Wenn ein Spieler dann mal eine Anfrage hat, dann machen sie das Training hier oder gibt es dafür eine spezielle Schule oder ein Zentrum?

    Das Training würde ich in unserem Medienraum durchführen und die Kameras hätten wir selber, da wir für Hertha TV schon viel selber produzieren.

    Das bezahlt dann auch der Verein?

    Ja, wenn Kosten entstehen würden, würde der Verein die übernehmen. Letztendlich kommen wir zu dem Punkt zurück, dass die Spieler Imageträger des Vereins sind und der Verein an einer professionellen Außendarstellung großes Interesse hat.

    Sieht der Verein es dann gerne, wenn die Spieler so eine Schulung in Anspruch nehmen?

    Momentan ist das kein Thema, aber wir würden es natürlich begrüßen. Ehrlich gesagt, habe ich eine solche Anfrage von einem Spieler bislang noch nicht bekommen.

    Wenn es dann doch mal dazu kommen sollte, was werden dann für Inhalte vermittelt?

    Es ist natürlich klar, dass sich ein Spieler nicht negativ über den Verein äußern sollte. Das kommt möglicherweise bei einem Spieler häufiger vor, der unzufrieden ist und nicht spielt, oder den Verein im Zorn verlassen hat. Bestes Beispiel dafür war das Interview von Artur Wichniarek in der Sportbild. Darin hat er sich nachträglich über den Verein und Dieter Hoeneß ausgelassen, was aufgrund einer Wohlverhaltensklausel in seinem Auflösungsvertrag untersagt ist. Diese Klausel ist übrigens Bestandteil eines jeden Vertrags. Ihm winkt jetzt eine Vertragsstrafe. Manchmal wundert man sich, was in den Köpfen der Spieler so vorgeht.

    Wie ist die Einstellung der Fußballer gegenüber der Schulung, besonders von denen, die es nicht in Anspruch nehmen?

    Zu diesem Thema kann ich eigentlich zu wenig sagen, weil wir keine Schulungen anbieten und die Spieler nicht danach fragen. Wie ich bereits erwähnt habe, habe ich lediglich die A- und B-Jugend über die Mediensituation in Berlin informiert. Das war quasi eine Pflichtveranstaltung.

    Es hat sich aber auch kein Spieler negativ gegenüber solchen Medienschulungen geäußert?

    Nein, mittlerweile wissen die Spieler genau, dass die Zusammenarbeit mit den Medien ‚part of the job’ ist. Dieser Teil ist nicht zu unterschätzen. Neben dem Training und den Spielen ist Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ein ganz wichtiger Bestandteil und deswegen sträubt sich auch keiner.

    Wie ist Ihre persönliche Meinung zu dem Thema? Für wie wichtig halten Sie so eine Schulung?

    Wie ich bereits gesagt habe, bin ich kein Freund von geschliffenen Interviews nach dem Spiel. Das nimmt dem Fußball seinen Reiz. Auf der anderen Seite bin ich schon der Meinung, dass man den Spielern regelmäßig etwas über die Medienlandschaft und die momentane Stimmung erzählen sollte. Auch das Verhältnis des Vereins zu bestimmten Medien sollte in der Mannschaft ein Thema sein. In so einem Fall erwarte ich dann Loyalität der Spieler. Grundsätzlich mag ich deftige Interviews nach den Spielen, in denen richtig was erzählt wird. Fußball ist ja ein Stück weit auch ein Showgeschäft.

    Können Sie die Meinung vieler Fans verstehen, dass durch standardisierte und generalisierte Antworten der Spieler, die Berichterstattung in Presse und Fernsehen wahnsinnig langweilig und eintönig wird? Dadurch auch ein gewisser Unterhaltungswert verloren geht?

    Ja, das kann ich verstehen. Dabei geht es ja nicht darum, einen Spieler lächerlich zu machen. Wenn ein Spieler sich hinstellt und nach einem Vereinswechsel gefragt, und er antwortet: „Madrid oder Mailand, Hauptsache Italien“, dann wird er diesen Spruch bis an sein Lebensende vorgehalten bekommen. Doch solche Sprüche sind doch lustig und beleben das Geschäft. Darüber wird in der Kneipe gesprochen und damit lebt das Thema Fußball.

    Es besteht dadurch ja auch durchaus die Gefahr, dass die Originalität vieler Spieler als Person verloren geht und es somit schwer wird, aus Ihnen Ikonen oder Vorbilder zu machen, mit denen sich die Fans identifizieren können. Darunter leidet auch die Vermarktung des Spielers…

    Jeder Spieler ist ein Individuum mit persönlichen Charaktereigenschaften. Dies sollte man nicht mit Gewalt verändern. Ich kann mir vorstellen, dass sich der Fan leichter mit Lukas Podolski identifizieren kann, weil der die Sprache der Fans spricht.

    Vielen Dank für Ihre Zeit und viel Erfolg für Ihren Verein weiterhin.

    Geschrieben von:  Anne80

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