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  • FC Stahl Brandenburg, 25. Juli 2008

     

    „Fansein heißt für mich einfach da sein, egal wie es um dein Team steht“


    Von:  Stephan R.T.

    Der 10. Dezember 2003 war der Tag, an dem es mit der Ruhe in unserem Forum vorbei war, denn an diesem entschied sich ‚André’ dazu, sich bei uns zu registrieren. Seither fällt der 26-Jährige Fan des FC Stahl Brandenburg und von Borussia Mönchengladbach vor allem durch seinen bitterbösen Sarkasmus auf und schießt mit seinen Spitzen gegen den Lokalrivalen, die sonstigen Gegner und die eigenen Leute. Immer wieder weist er dabei die anderen User mit seinem trockenen Humor daraufhin, dass man nicht alles im Leben so ernst nehmen sollte. Und damit er nicht pausenlos an sein ‚Traumduell’ gegen den SV Alemannia Fohrde denken muss, beantwortete ‚André’ nun erst einmal unsere Fragen.

    André, wie ist Deine Leidenschaft für den Fußball entstanden und wer hat Dich eigentlich zum Fußball gebracht?

    Also früher haben ja alle Jungs irgendwie aufm Hof gekickt, somit gab es in meiner Kindheit in den späten Achtzigern die ersten Berührungspunkte. Naja, man brauchte ja bloß nen Ball, ein bisschen Platz, ein paar Leute und los ging’s. Wer mich zum Fußball gebracht hat, weiß ich so genau gar nicht. Sicherlich jeder ein bisschen: in der Familie hatte man immer jemanden, der sich dafür begeistern konnte und im Freundeskreis sowieso.

    Für welchen Verein schlägt Dein Herz und warum - was verbindet Dich mit Deinem Verein, wie und wann wurdest Du Fan?

    Ich gehöre zur der verabscheuungswürdigen Spezies von Menschen, die zwei wichtige Vereine in ihrem Leben haben und sich auch noch als Fan von beiden bezeichnen. Da sich beide auf sportlicher Ebene auf lange Sicht nicht in die Quere kommen werden, betrachte ich beide in etwa gleichrangig. Meine Leidenschaft für Borussia Mönchengladbach entstand irgendwann nach der Wende. Das DFB-Pokalhalbfinale 1992 gegen Leverkusen ist die erste konkrete Erinnerung an Gladbach und die Verbindung dazu. Seit einigen Jahren bin ich auch in einem Berliner Fanclub und komme auf etwa 10 bis 15 Spiele pro Saison.

    Mein Heimatverein ist Stahl Brandenburg. Hier habe ich mit mäßigem Erfolg selbst acht Jahre in den Jugendmannschaften gespielt. Etwa ab 1999 hatte ich jahrelang nicht mehr allzu viel mit Fußball bzw. Stahl am Hut, man hat halt die Ergebnisse verfolgt, aber mehr war da nicht. Seit ein paar Jahren besuche ich die Spiele aber wieder regelmäßig, sowohl heim als auch auswärts. Und Stahl ist natürlich auch der Verein, zu dem ich die emotional tiefere Verwurzelung habe. Ein Spiel gegen unseren Ortsrivalen nimmt mich um einiges mehr mit als ein Spiel Gladbach gegen den FC.

    Welche Erinnerung hast Du noch von den ersten Spielen, was war das für Dich damals für ein Erlebnis?

    Mein erstes Stahl-Spiel war das ‚berühmte’ letzte Heimspiel der Saison 1987/88 gegen Lok Leipzig, in welchem Stahl sich durch einen 3:2-Sieg in letzter Minute selbst um die EC-Teilnahme brachte. Die kuriose Tabellenkonstellation und das Spiel selbst waren ja vor einiger Zeit auch Thema in einem großen deutschlandweit erscheinenden Fußballmagazin. Ich weiß noch wie aufgeregt ich vor dem Spiel war. Ich war sechs Jahre alt und konnte gar nicht fassen, dass ich die Spieler, die ich bisher nur aus dem Fernsehen kannte, tatsächlich live spielen sehen durfte. Ich war dann mit meinen Eltern und meinem Bruder da, aber an das Spiel oder das Drumherum hab ich keine genauen Erinnerungen mehr.

    Wie zufrieden bist Du mit der aktuellen Leistung Deines Vereins, was lief in dieser Saison gut, was hätte besser klappen können?

    Bis auf die zweite Hälfte der Hinrunde, wo man ganz schön eingebrochen ist und seine anfängliche Tabellenführung herschenkte, bin ich mit der Leistung der Mannschaft schon ziemlich zufrieden. Man erreichte durch den Hennigsdorfer Verzicht sogar die Relegationsspiele um den Aufstieg in die Brandenburgliga gegen Eisenhüttenstadt. Leider wurde im Rückspiel die schlechteste Saisonleistung gezeigt und Hütte durfte jubeln.

    Wenn ich nun aber etwas über ein Jahr zurück denke, ist mir das Sportliche fast schon egal, denn im Mai 2007 war Stahl eigentlich mit anderthalb Beinen beim Insolvenzrichter und die Fusion mit dem Ortsrivalen beschlossene Sache. Den Geldspenden vieler Fans, der engagierten Arbeit des neuen Vorstands und aller, denen Stahl am Herzen liegt, ist es aber zu verdanken, dass Stahl sich finanziell zu erholen scheint und uns der Verein Gott sei Dank erhalten bleibt.

    Wie soll es in der nächsten Saison weitergehen, was erwartest Du von Deinem Verein und in welchen Bereichen sollte es besser laufen?

    Wichtig ist zunächst, dass der Verein wirtschaftlich gut aufgestellt bleibt. Alles andere ist für mich irgendwo zweitrangig. Sportlich gesehen ist es so, dass der Druck von außen schon ziemlich groß ist und der Aufstieg im dritten Jahr Landesliga eigentlich kommen muss. Die Truppe ist bis auf zwei Abgänge zusammengeblieben und wurde in meinen Augen im Rahmen der Möglichkeiten sehr gut verstärkt. Spielerisch waren wir im letzten Jahr schon mit dem überlegenen Aufsteiger aus Sachsenhausen auf Augenhöhe, nur die Konstanz hat gefehlt. Das wird wohl in dieser Saison den Ausschlag zwischen Aufstieg oder Platz zwei bis sechzehn geben.

    Was waren die schönsten und welches die erschütterndsten Erlebnisse mit Deinem Verein und anderen Fans?

    Also in den früheren großen Zeiten waren zweifelsohne die Oberligaspiele, die ich sehen konnte, schöne Erlebnisse. Aber auch deutliche Zweitligaheimsiege gegen Hannover 96 oder St. Pauli sind unvergesslich. Das waren die letzten Male, dass Stahl fünfstellige Zuschauerzahlen am Quenz hatte.

    In den letzten Jahren ging’s ja für Stahl mehr oder weniger konstant bergab. Von daher stechen für mich der Auswärtssieg beim Ortsrivalen im Juni 2005 oder auch ein absolut geiler Landespokalheimsieg gegen Cottbus II heraus, da ich ja erst seit einigen Jahren wieder regelmäßig im Stadion bin. Erschütternde Erlebnisse sind natürlich Abstiege. Da gibt’s Leute bei Stahl, die in den letzten 15 oder 20 Jahren immer dabei waren und mal locker vier oder fünf Abstiege und keinen einzigen Aufstieg gesehen haben. Da kann ich gar nicht wirklich ‚mitreden’. Als Stahl-Fan ist man also durchaus abgehärtet. Deswegen wäre eine Insolvenz etc. das Schlimmste, ein weiterer Abstieg würde hier keinen mehr groß aus den Socken hauen.

    Was macht Dich zu einem echten Fußball-Fan, wie siehst Du andere Fans?

    Zu einem Fußball-Fan macht mich erst einmal, dass ich Fußball als Sport total genial finde. Nick Hornby erklärt das an einer Stelle in ‚Fever Pitch’ ganz gut. Er beschreibt die Ästhetik, die Spannung und dass die bessere Mannschaft nicht zwangsläufig gewinnt. Und die Wirkung auf jemanden, wenn er in einem Fanblock steht und seine Mannschaft in der letzten Minute das Siegtor erzielt. In der Beschreibung findet sich wahrscheinlich jeder Fan wieder.

    Fansein heißt für mich einfach da sein, egal wie es um dein Team steht. Wie man selbst oder andere das ausleben, ob Ultra oder Normalo, ob Stehplatz oder mit Sitzkissen unterm Arm, ob mit Schal oder in zivil – das ist mir verflucht egal.

    In den letzten Jahren kam im Fußball immer wieder das Thema ‚Gewalt und Rassismus’ auf. Wie sind Deine Erfahrungen zum Thema und wie siehst Du die Probleme zwischen Fans und Ordnungskräften?

    Gewalt, Rassismus, Diskriminierung oder Intoleranz gehören für mich weder in ein Fußballstadion noch auf die Straße oder in die nächste Bäckerei. Durch die verstärkte Medienpräsenz der letzten Jahre mag der Eindruck entstehen, dass sich diese Probleme vervielfachen. Ich bin jedoch der Meinung, dass es sich im Vergleich z.B. zu den 70er oder 80er Jahren sehr verbessert hat. Das Problem ‚Gewalt und Rassismus’ mag sich auf die unteren Ligen ausgeweitet haben, einfach weil dort die Möglichkeiten fehlen, dagegen vorzugehen. Aber im Endeffekt ist der Fußball mit seiner Fanstruktur ein Querschnitt durch die Gesellschaft. Die Zuschauer bringen halt ihre Alltagsprobleme mit zum Fußball und reagieren sich halt auch mal ab. Was will man dagegen tun? Man kann soweit wie möglich Zivilcourage zeigen, aber am Ende des Tages muss man einsehen, dass wir in keiner Peter-Pan-Gummibärchen-Welt leben. Nichtsdestotrotz ist jeder negative Vorfall in einem Bundesligastadion oder auf dem Kreisligasportplatz ein Vorfall zu viel.

    Thema Fans und Ordnungskräfte? Ist im Prinzip der gleiche Schuh. Das ist ja eher ein Problem der höheren Spielklassen. Polizei und Ordnungskräfte wollen am Liebsten alles auf Null runterfahren, also Emotionen und Aggressionen eindämmen. Das geht aber nicht – Thema Gummibärchen-Welt. Beide Seiten haben ihre Standpunkte, bewegen sich ab und zu aufeinander zu und voneinander weg und bekleckern sich in schöner Regelmäßigkeit beide nicht gerade mit Ruhm. Das Problem existiert also, aber nicht für jedes gibt es die maßgeschneiderte Lösung. Somit heißt es sich zu arrangieren und mit Kompromissen zu leben, wie im Alltag auch.

    Ein weiteres aktuelles Thema ist kommerzielle Entwicklung des Sports, wie stehst Du dazu?

    Auch so eine Debatte, die hauptsächlich einen gesellschaftlichen Hintergrund hat. Fußball ist gerade schick, man könnte sagen es boomt. Doch im Gegensatz zu Tennis in den Achtzigern oder Formel 1 in den Neunzigern glaube ich, dass Fußball einfach viel zu viel Potenzial hat, als dass dieser Boom langfristig großartig nachlässt. Was willste machen? Wo die Industrie Massenpotenziale vermutet, wird die Geldmaschine angeworfen. Das ist das System in dem wir leben. Viele Fans sehen das zu einseitig, denn das kann für den eigenen Verein oft auch positive Effekte haben. Mehr Geld – mehr Möglichkeiten.

    Aus reiner Fansicht war natürlich die WM 2006 eine Katastrophe. Die sogenannten Modefans überschwemmen die Szenerie. Nach dem verlorenen EM-Finale gegen Spanien lagen sich in der Brandenburger Innenstadt 15-jährige Mädels weinend in den Armen. Wie krank!? Ich war froh, als am Montag danach alle ihre Fahnen wieder eingeholt hatten. Wenn man sein eigenes Fansein aber mal ein bisschen ironisch reflektiert, ist das auch ziemlich komisch. Man ist bockig, dass jetzt alle Fußball toll finden. Ich vergleiche das immer mit einem Kind, dem man die Sandschippe weggenommen hat oder einem Hund, der noch heftiger an die Laterne pinkelt, um sein Revier deutlicher zu markieren.

    Generell betrachtet man den sogenannten Kommerz natürlich kritisch, im europäischen Vergleich geht’s uns aber noch ganz gut. Und solch ein Boom ist Fußball dann doch noch nicht, denn man erntet noch immer Kopfschütteln, wenn man sagt, man fährt zu nem Stahl-Auswärtsspiel in Velten vor 60 Zuschauern oder man nimmt einen ganzen Tag und einige Euro in Kauf um von Berlin aus zu irgendeinem Borussia-Spiel zu fahren.

    Bist Du von anderen Fangruppen beeindruckt – wenn ja, von welchen und warum?

    Ich bin von den Fans unseres Lokalrivalen sehr beeindruckt. Wie man über Jahre hinweg mit einer sagenhaften Konstanz derart leise und unkreativ sein kann, nötigt mir höchsten Respekt ab! Naja, Spaß beiseite. Was heißt beeindruckt? Es macht Spaß einer lauten Masse zuzuhören oder zuzusehen. Da sind wohl generell Südamerika oder Osteuropa vom Fanatismus her ganz weit vorne. In Deutschland gibt’s vor allem ostdeutsche Szenen, die gemessen am mäßigen sportlichen Erfolg von der Masse her immer stark auftreten. Aber ansonsten können zwanzig Stahl-Fans, die in Velten die Fresse aufkriegen, auch ganz nett sein...

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    Geschrieben von:  Stephan R.T.

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