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  • MSV 19 Rüdersdorf, 21. Juli 2008

     

    „Gewisse Dinge ändern sich auch über Jahre hinweg nicht“


    Von:  Stephan R.T.

    Im September 2006 hatte sich unser User ‚Schwarze Sau’ dazu entschieden, sich in unserem Forum zu registrieren. Seither schreibt das 42-jährige Mitglied des MSV 19 Rüdersdorf vor allem aus Sicht des Spielleiters, denn seit über zwanzig Jahren gehört er dem Schiedsrichterwesen an. Wie er dazu kam und was er über den Fußball denkt, steht in seinen Antworten auf unsere Fragen.

    Martin, wie ist Deine Leidenschaft für den Fußball entstanden und wer hat Dich eigentlich zum Fußball gebracht?

    Angefangen hat es wie bei vielen Kindern mit dem üblichen Straßen-Kick unter Freunden. Zum Fußball im Verein kam ich mit neun Jahren (1975), da es bei uns im Dorf die einzige Möglichkeit war, als Kind organisiert Sport zu treiben. Die Leute, die damals so wie ich ‚Gründungs-Mitglieder’ der ersten Nachwuchs-Mannschaft im Verein waren, spielen heute teilweise noch bei den Senioren zusammen.

    Was mich dazu gebracht hat, selbst zu spielen waren die Erfolge der Bayern im Europa-Cup, die WM 1974 mit den Erfolgen beider deutscher Mannschaften und die deutsch-deutschen Duelle im Europa-Cup.

    Welchen Stellenwert hat der Fußball in Deinem Leben eingenommen?

    Er ist mit Ausnahme der Zeit einiger langwieriger Verletzungen immer Hobby Nummer eins gewesen. Seit 1996 war ich fast ausschließlich nur noch als Schiedsrichter aktiv und bin seitdem wieder regelmäßig Wochenende für Wochenende unterwegs.

    Wieso hast Du Dich dann speziell für das Schiedsrichterwesen entschieden, gab es einen bestimmten Anlass oder eine bestimmte Persönlichkeit?

    Auslöser war eine Knieverletzung 1986 während meiner NVA-Dienstzeit in Halle/Saale. Ich konnte zunächst nicht mehr spielen und wurde dann 1987 nach Leipzig versetzt. Dort habe ich mir im Zentralstadion Lok gegen Union angesehen. In der Halbzeit gab es einen Aufruf für einen Schiedsrichter-Lehrgang, zu dem ich gern gehen wollte, da ich irgendwie weiter mit Fußball zu tun haben wollte. Mein Kompanie-Chef hat mich dann großzügigerweise jeden Montag rausgelassen, so dass ich nach acht Wochen meinen Schein hatte.

    Was fasziniert Dich an der Leitung des Spiels?

    Es geht mir hier wahrscheinlich so wie den meisten Spielern, die auch wenn es einmal nicht lief, trotzdem immer wieder antreten und dem nächsten Versuch starten. Es macht einfach Spaß, dabei zu sein und das Beste zu geben. Dabei ist es mir egal, ob ich Schulmannschaften oder Verbandsligisten pfeife. Du willst so wie jeder Spieler Anerkennung für das, was Du auf dem Platz gezeigt hast.

    Bei einem Grottenkick ertappe ich mich schon mal bei dem Gedanken: ‚Gut, dass ich als einziger hier wenigstens Ahnung vom Fußball habe!’, aber solche Gedanken sollte man tunlichst vermeiden bzw. niemanden spüren lassen. Außerdem gebe ich gern zu, dass es was Abenteuerliches hat, sich gegen ein paar hundert Zuschauer und zweiundzwanzig Mann im emotionalen Ausnahmezustand zu behaupten. Wenn ich das aufgrund meiner Kompetenz und nicht aufgrund der mir vom Regelwerk zustehenden (All-)Macht erreichen kann, fühlt sich das an wie ein Sieg.

    In welchem Bereich bist Du tätig und wie zufrieden bist Du dort mit der Zusammenarbeit zwischen Verbänden und Vereinen?

    Ich habe 1996 in Berlin bei den unteren Herren angefangen und bin dann 1998 berufsbedingt nach Brandenburg gewechselt. Nach einem Jahr in der Kreisklasse ging es schnell in die Landesklasse und weiter in die Landesliga (2000 bis 2006). Seit zwei Jahren bin ich wieder in der Landesklasse. Obwohl ich seit 2003 wieder in Berlin wohne, pfeife ich weiter für den FLB, da ich hier eine ganze Reihe von Freunden unter Schiedsrichtern, Spielern, Trainern und Offiziellen gefunden habe, die mit denen ich immer wieder gern zusammenkomme.

    Zum Thema Zusammenarbeit mit dem Verband könnte ich hier jede Menge Kritik und skurrile Episoden loswerden, aber ich möchte meine mehrheitlich positiven Erfahrungen nicht einer persönlichen Verbitterung unterordnen. Wie ich festgestellt habe, ändern sich gewisse Dinge auch über Jahre hinweg nicht, obwohl sich viele darüber ärgern. Beispielsweise empfinden viele Kollegen es undurchsichtig und ungerecht, weshalb bestimmte Schiedsrichter herauf- bzw. herabgestuft werden. Das sorgt Jahr für Jahr für Erstaunen und Kopfschütteln. Ich wette, dass jeder Brandenburger Schiedsrichter mindestens einen Kollegen kennt, der aus Frust über eine derartige Entscheidung die Pfeife an den Nagel gehängt hat. Allerdings zieht sich so etwas bis hinauf auf die DFB-Ebene, wobei dort Landes- und Regionalverbände auch noch auf Funktionärsebene mit- und gegeneinander spielen.


    Martin, alias ‚Schwarze Sau’, beim letztjährigen Weihnachtsstammtisch.

    Egal wie schlecht eine Mannschaft gespielt hat, schuld an der Niederlage ist am Ende zumeist der Schiri. Wie gehst Du mit den Reaktionen in Vereinsheimen oder auch Internetforen um?

    Ich habe in dieser Hinsicht wenige negative Erfahrungen gemacht. Meist wahren auch die Verlierer die grundlegenden Umgangsformen. Die Zuschauer sind mir dabei nicht unbedingt egal, aber mit deren Sprüchen kann ich gut leben. Außerdem dürfen die alle vierzehn Tage ruhig auf die Pauke hauen, als Fan freust Du dich ja auf das Spiel. Wenn es dann der Schwarze ‚vergeigt’ hat, kann der dann nicht auch noch erwarten, dass er einen ausgegeben bekommt.

    Im Forum habe ich mich (teilweise unerkannt) zu Spielen geäußert, aber mache das nicht regelmäßig. Hier habe ich noch Reserven, aber mitunter ging es nach dem Spiel auch noch per ‚Privater Nachricht’ hin und her. Ich habe eigentlich auch kein Problem, Fehler zuzugeben. An dieser Stelle auch gleich nochmal die Bitte um Entschuldigung nach Joachimsthal für mein ‚Gurkenspiel’ gegen Templin.

    Wie empfindest Du den Umgang der Medien mit Schiedsrichterleistungen im Allgemeinen, wenn z.B. mit Superzeitlupen und Hilfslinien Fehler des Schirigespanns aufgedeckt werden?

    Wichtig ist für mich dabei, dass auch Schiedsrichter zu Wort kommen und nicht nur ‚gefühlte’ Experten. Wenn dann die Fehler lang und breit nachgewiesen werden, gehört das für mich zu dem, was ein Spitzenschiedsrichter an Kritik ertragen muss. Otto Rehagel hat mal gesagt: „Wer bei Bayern unterschreibt, muss wissen was er tut.“ Das trifft für die Schiedsrichter auf höchstem Niveau genauso zu: Wer mit der (berechtigten) Kritik an seinen Fehlern nicht umgehen kann, muss den Job ja nicht machen. Natürlich lässt sich das leicht von mir dahinsagen, ich habe ja noch nicht auf der Titelseite der Revolver-Presse gestanden. Mich stören eher die fünf Zeitlupen von protestierenden Spielern und ausflippenden Trainern oder Tribünen-Promis.

    Einige Deiner Kollegen hatten bereits handfeste Auseinandersetzungen mit Spielern und Fans. Wie sind Deine Erfahrungen und hat sich der Umgang mit den Schiris in den letzten Jahren verändert?

    Bisher habe ich selbst davon noch nichts zu spüren bekommen. Bei mir blieb es bisher immer friedlich. Was neu in den letzten Jahre für mich war, ist die Schiedsrichter-Schelte hier im Internet, aber es gab ja auch immer wieder das Gegenteil zu lesen, wenn ein Schiedsrichter einen guten Job gemacht hat. Da freue ich mich, wenn ich auch auf diesem Wege ‚zurückschlagen’ oder einer Mannschaft oder einem Spieler meinen Respekt zollen kann.

    In den letzten Jahren kam im Fußball immer wieder das Thema ‚Gewalt und Rassismus’ auf. Wie sind Deine Erfahrungen?

    Wie bei der vorhergehenden Antwort, kann ich aus eigener Erfahrung nur von ruhigen Spielen berichten. Mitunter gab es beim Abgang zwischen Spielern und Zuschauern Pöbeleien und Bierduschen oder Zuschauer wollten sich persönlich bei mir ‚bedanken’. Auf Landesebene wissen die Leute jedoch meist, wann die Grenze des Erlaubten näher kommt und kriegen rechtzeitig die Kurve bzw. die Ordner schlichten.

    Was sind positive Ereignisse, an die Du Dich immer wieder gern erinnerst und warum?

    Ich freue mich über jedes Spiel, in dem ich weitgehend unbemerkt bleiben kann. Wenn beide Teams sich hinterher bei mir unabhängig vom Ergebnis bedanken, reicht mir das vollkommen aus. Dabei ist es egal, ob es das erste Freundschaftsspiel nach der Sommerpause ist oder ein Sechs-Punkte-Spiel gegen den Abstieg.

    Höherklassige Mannschaften wie Union, Babelsberg 03, Schöneiche, Eberswalde und andere Oberligisten habe ich bisher allenfalls im Pokal an der Linie erlebt. Da bin ich schon zufrieden, wenn ich nicht negativ auffalle.

    Hast Du eigentlich selbst aktiv Fußball gespielt oder spielst Du immer noch und wenn ja, wie erfolgreich warst/bist Du?

    Wie ich am Anfang schon erklärte, hatte ich verschiedene Knieverletzungen, die mir die aktive Laufbahn verkürzten. Bis dahin gab es für mich eine Bronzemedaille bei der Kreisspartakiade in der A-Jugend im Kreis Nordhausen, den Kreismeister im Kreis Potsdam 1990 und den damit verbundenen Aufstieg in die Landesklasse sowie zwei Landesklasse-Jahre als 18-/19-Jähriger bei Aktivist Sollstedt 1982-1984.

    Hier in Berlin habe ich vor zwei Jahren noch einen Neuanfang probiert in der 7er-Altliga bei der SV Empor, musste aber erkennen, dass die Knie inzwischen in dieser Frage eine andere Meinung haben als ich.

    Hast Du einen bestimmten Verein, für den Dein Herz schlägt?

    Aus alter regionaler Verbundenheit ist es für mich Wacker/Motor Nordhausen, wo ich als Kind zum ersten Mal im Stadion war und die Aufstiegsspiele zur Oberliga gesehen habe. Ebenso war als Oberligamannschaft Rot-Weiß Erfurt lange Jahre die Nummer eins für mich, aber mit der Zeit hat sich diese Liebe abgekühlt. Bei den ‚Großen’ waren es früher immer die Bayern, aber die sehe ich seit einigen Jahren zunehmend kritischer. Nach dem Motto ‚Support Your Local Team!’ gehe ich immer mal wieder zu Hertha oder fahre gelegentlich nach Cottbus. Ach ja, Mitglied bin ich ja auch noch beim MSV Rüdersdorf.

    Welches sind Deine Wünsche für die kommenden Jahre. Gibt es Dinge im Fußball, die Du unbedingt noch erreichen möchtest?

    Es wäre schön für mich, wenn ich noch einige Jahre auf Landesebene pfeifen kann. Für einen erneuten Aufstieg komme ich nicht mehr in Frage. Deshalb wäre ich gern noch in der Landesklasse unterwegs, nach Möglichkeit mit einer guten Mischung aus alten Bekannten und Neulingen, und zwar bei Mannschaften und Schiedsrichtern.

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    Geschrieben von:  Stephan R.T.

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