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Festschrift – 25 Jahre Tornados Rapid
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  • VfB Lübeck von 1919, 04. Februar 2008

    „Im Grunde haben wir noch nichts erreicht!“


    Von:  Anne80

    Um die Zukunft des VfB Lübeck stand es in letzten Wochen mehr als schlecht: Schuldenberge, drohende Insolvenz und obendrein eine inkompetente Geschäftsführung. Die Pressekonferenz am vergangenen Samstag sollte Klarheit darüber geben, wie es jetzt weiter geht. Dabei wurde zur Erleichterung vieler Fans entschieden, dass Geschäftsführer Jürgen Springer gehen muss – wenn auch erst Ende Juni. Auch wenn eine Insolvenz vorerst abgewendet werden konnte, kann von einer Rettung des VfB Lübeck noch lange keine Rede sein. Lars Ulrich, zweiter Vorsitzender des Fankreises Lübeck, gibt im Interview mit die-fans.de Auskunft über die derzeitige Situation des Vereins, über die bevorstehende Rettungs-Arbeit und über die Schwierigkeit, aus Mangel an Entscheidungskompetenzen, Ideen umzusetzen.

    Ist Ihre Erleichterung über die abgewendete Insolvenz sehr groß oder eher unter Vorbehalt?

    Da die Insolvenz nur vorerst abgewendet ist und eventuell in sechs Wochen schon wieder Thema, falls es nicht klappt die ersten Gelder von den Firmen, also ein Teil der 600.000 Euros zu erwirtschaften, brauch ich nicht erleichtert zu sein. Wenn jetzt schon 100 Dauerkarten verkauft wären und wir die ersten Gehälter, die nächstes Mal fällig werden, schon eingenommen hätten, dann wäre ich erleichtert. Aber so haben wir jetzt erstmal viel Arbeit vor uns und sind im Grunde genommen ja nur bedingt weiter gekommen.

    Wie realistisch ist es, die 600.000 Euros zusammen zu bekommen? Sind Sie da sehr optimistisch?

    Das ist alles noch relativ unbestimmt. Ich habe auch keinen Einblick, in welchen Gesprächen mit Sponsoren sich derzeit der Verein befindet. Das was ich mache, ist ja unter anderem, die Retteraktionen zu koordinieren und Ideen dafür vorzuschlagen. Leider habe ich aber auch da keine wirkliche Entscheidungsbefugnis. Das Konzept mit den Dauerkarten stammt beispielsweise von mir, war aber etwas detaillierter vorgesehen. Ich wollte beispielsweise Finanzierungsmöglichkeiten über eine Bank, um den Leuten die Unsicherheit zu nehmen. Man hätte dann mit dem Verein einen Vertrag abschließen können, der nur wirksam wird, wenn gewisse Rahmenbedingungen erfüllt sind. Also mindestens eine bestimmte Summe an Geld eingenommen wird und die Möglichkeit, die nächste Saison zu erreichen, gegeben ist. Erst dann sollte der Vertrag wirksam werden, denn das sind ja genau die Vorbehalte, die die Fans haben. Man hat sich nur leider nicht der intimen Kenntnisse über die Szene bedient, aber ich arbeite daran, weil ich ja auch nicht möchte, dass der Verein damit auf die Nase fällt. Die Idee ist ja trotzdem gut, die Preise sind fair. Insofern ist das natürlich schon eine gute Sache, aber sie ist leider nicht so richtig zu Ende gedacht. Aber da arbeiten wir dran.

    Sie meinen mit einem Vertrag eine Absicherung für die Fans, die eine Dauerkarte erwerben, ohne zu wissen, ob es den Verein in der nächsten Saison überhaupt noch gibt?

    Richtig. Die ersten E-Mails gingen bei mir ja schon ein, wo gefragt wird: „Gilt denn die Dauerkarte auch für einen gegebenenfalls Nachfolgeverein?“ Also wenn es eine Insolvenz gibt, der Verein scheitert und es den VfB Lübeck nicht mehr gibt, sondern den ‚VfB Lübeck 2008’ oder so, ob diese Dauerkarte dann auch noch gilt. Das sind Fragen, die ich noch nicht mal beantworten kann. Aber das zielt ja genau auf diese Angst, dass die Leute sich sagen: „Ich gebe doch jetzt meine Ersparnisse nicht auf gut Glück aus und womöglich habe ich dann zwar eine schöne Dauerkarte, kann mir davon aber nichts holen.“ Das ist ja das Problem. Mit einem Vertrag hätte man den Leuten diese Angst nehmen können. Das was die Leute wollen ist, dem Verein helfen, aber nur sofern es dann auch weiter geht. Das hätte man damit, in so einer Art von Kooperation, garantieren können.

    Erst wenn wirklich 100 Stehplatz und 100 Sitzplatzkarten verkauft werden, wird der Kaufvertrag wirksam, weil man dann schon 400.000 Euros eingenommen hätte. Wenn man die hat, kann man schon mal sicher sein, dass man auf jeden Fall in die nächste Saison kommt. So werden die Leute jetzt, schätze ich mal, natürlich abwarten. Hinzu kommt, dass nicht jeder 1.000 Euro oder 3.000 Euro auf dem Sparbuch hat, die er dann mal eben in die Karte investieren kann.

    Wie ist denn die Stimmung unter den Fans aus Ihrer Sicht?

    Viele sind im ersten Moment ein bisschen euphorisch gewesen. Viele Leute sagen aber auch, das ist hoffentlich nur der Anfang und kann noch nicht das Ende der Fahnenstange gewesen sein. Zurücklehnen kann man sich nicht, denn man hat ja im Grunde genommen nichts erreicht. Man muss jetzt an der Stelle weiter machen. Das habe ich auch dem Präsidenten noch mal eindringlich klar gemacht, dass man jetzt nicht die Hände in den Schoss legen kann. Jetzt geht es eigentlich erst richtig los mit der ganzen Arbeit, also der tatsächlichen Arbeit. Wenn man dann Gespräche mit den Leuten, denen man noch Geld schuldet, führt, ist das eine Sache. Aber die andere Sache ist, jetzt mal eben über eine halbe Millionen Euro Geld zu verdienen. Also das ist ja kein Pappenstiel. Wenn wir dann Benefizaktionen machen, wie einen Tag der offenen Tür, oder was wir sonst noch so für Ideen haben, muss die auch jemand umsetzen. Das muss ja auch jemand organisieren und ich sehe bisher noch nicht so genau, wer sich dann darum kümmert. Ich weiß nicht, ob man davon ausgeht, dass ich das mal eben alles nebenbei mache. Aber gut, das werden wir sehen.

    Sind denn jetzt schon weitere Retteraktionen geplant, außer den Dauerkarten?

    Das ist Vieles geplant, aber ich habe, wie gesagt, keine Kompetenz, das zu entscheiden. Die hat man mir nicht zugestanden. Aber es waren noch eine Menge Sachen auf dem Zettel, ja. Wenn ich das entscheiden dürfte, würde ich sagen, dass wir mindestens noch vier große Sachen haben, die wir machen müssen, machen können, machen sollen. Aber wie gesagt, das liegt nicht an mir. Der Fankreis an sich wird allerdings für sich selbst auf jeden Fall Sachen machen. Wir können natürlich auch unabhängig vom Verein addieren und haben ein Sparkonto eingerichtet, weil wir nicht die Schulden von irgendwem bezahlen wollen. Erst Recht nicht die Gehälter von Leuten, die wir eigentlich schon seit Jahren nicht mehr beim Verein sehen wollten.

    Über eine grün-weiße Bowlingnacht Ende April, hier auf einer großen Bowlingbahn, sind wir gerade in Verhandlungen. Das wird stattfinden. Nächste Woche haben wir dann das nächste Treffen und da werden wir die grün-weiße Bowlingnacht planen. Wir werden versuchen, dass sich so viele Teams wie möglich anmelden. Jedes Team muss dann halt einen gewissen Betrag entrichten, wovon die Selbstkosten an die Bowlingbahn gehen, an den Betreiber und der Rest, der Rettung des VfB Lübecks zu Gute kommt. Wenn der Verein es nicht schafft, dann bleibt das Geld beim Fankreis und wird dann für Projekte des Fanhauses benutzt.

    Es gibt dann noch die Ebay-Aktion. Das ist auch eine Aktion, die wie die grün-weiße Bowlingnacht, nur über die Fans läuft und wo also der Verein überhaupt nichts weiter mit zu tun hat. Diese Aktionen laufen völlig unabhängig vom Verein.

    Es gibt auch noch anderen Sachen, die ich in Zusammenarbeit mit dem Verein noch auf dem Zettel hatte, nur hat man mir da, wie gesagt, nicht die Entscheidungskompetenz zugesprochen. Ich kann halt als zweiter Vorsitzender des Fankreises nur Sachen mitentscheiden, die uns angehen und das sind in erster Linie Fanbelange.

    Wie ist es jetzt dazu gekommen, dass Herr Springer gehen muss und wieso erst Ende Juni?

    Das ist eine gute Frage. Wir fragen uns auch, wieso erst Ende Juni. Wenn es nach uns gegangen wäre, wäre er in diesem Jahr schon nicht mehr Angestellter beim VfB Lübeck gewesen, oder zumindest beurlaubt. Aber das ist eine andere Sache.

    Man hat endlich begriffen, dass man mit dem Mann bei potentiellen Sponsoren und eben Fans, die helfen wollen, keine Chance hat, wenn er nicht zur Verantwortung gezogen wird und er dort weiter arbeiten dürfte. Das ist, was viele Fans und viele potentielle Sponsoren sehr bedrückt hat. Ich weiß eben auch, dass die gesagt haben, dass die alten Leute, die da maßgeblich für mitverantwortlich sind, dass der Karren überhaupt so tief in den Dreck gefahren wurde, doch jetzt nicht weiter die Verantwortlichen bleiben können.

    Wenn ich so viele Jahre lang eine Geschäftsführung habe, die fast so eine Art Alleinmacht gebildet hat, mit bis vor kurzem ‚Molle’ Schütt, dann muss ich mir auch logischerweise die Konsequenzen für irgendwelche Fehlkalkulationen und -planungen eingestehen. Ich kann mich nicht immer nur feiern lassen, wenn mal was funktioniert hat, sondern muss schon die Verantwortung dafür übernehmen.

    Die Mitverantwortung, die zum Beispiel Präsidiumsmitglieder tragen, ist, dass sie sich das Jahre lang angeguckt haben, ohne was dagegen zu tun. Die haben sich immer darauf verlassen, dass das schon irgendwie funktionieren wird. Die Deckung mit einer halben Million Euro, in den letzten Jahren in der Regionalliga, musste ja immer aufgebracht werden. Aber dass das jetzt rund 1,3 Millionen sind, also das ist ja jetzt schon über 100 Prozent mehr, Unterdeckung fast 200 Prozent. Da muss man sich ja ganz gewaltig vertan haben. Ob da einer ein Komma oder so verschoben hat oder was, ich weiß es nicht. Da möchte ich eigentlich auch nicht drüber spekulieren, das spielt ja keine Rolle. Aber wenn ich mich so doll verhaue, muss ich wissen, dass das Maß irgendwann voll ist.

    Hat der Verein entschieden, dass Herr Springer geht oder war er selbst auch der Auffassung, dass es an der Zeit ist?

    Ja, er hat es schon selbst gesagt, dass er spätestens bis zum 30. Juni geht, eventuell auch eher, um den Verein zu helfen und Geld zu sparen. Wir haben auch gesagt, dass uns das nicht gefällt, wenn der Verantwortliche nicht wirklich zur Verantwortung gezogen wird, indem er den Leuten zuvor kommt und sich vorher schon elegant verabschiedet. Aber das ist jetzt erstmal egal. Spätestens zur neuen Saison ist er weg und da sind wir alle sehr froh drüber. Das ist gar nicht persönlich, dass wir ihn persönlich widerlich finden würden, oder so, sondern weil er offensichtlich in seiner Position überfordert war. Er hat sich ja auch nie helfen lassen. Seit Jahren haben wir ihn schon gewarnt, Hilfe angeboten, auch ehrenamtlich, weil der Verein immer erzählt hat, er hätte kein Geld. Aber diese Hilfe ist niemals angenommen worden. Sie wurde immer abgewiegelt mit irgendwelchen fadenscheinigen Gründen und die Quittung haben wir schon lange. Ich insbesondere warne schon seit fünf Jahren davor und ich meine, davon können wie uns alle jetzt nichts kaufen, was ich hier sagen, nach dem Motto: „Habe ich euch ja gleich gesagt.“ Aber wenn man das dann immer in den Wind schreit, dann kommt das eben dabei raus.

    Herr Schütt ist jetzt endgültig zurückgetreten?

    Herr Schütt hatte sich schon länger zurückgezogen, aber jetzt auch endgültig. Sein Schuldenverzicht ist sozusagen sein Abschiedsgeschenk gewesen, gezwungenermaßen nehme ich mal an. Der hat damit nichts mehr zu tun und möchte jetzt auch gern seine Ruhe haben, auf seine alten Tage.

    In Bezug auf die Verzichtserklärungen der Gläubiger in Höhe von 2,1 Millionen hieß es, dass diese in ferner Zukunft ihr Geld wieder bekommen könnten? Was genau ist damit gemeint? Ist es damit also eigentlich kein Verzicht?

    Das ist die Geschichte mit dem Besserungsschein. Angenommen wir schaffen es jetzt innerhalb von fünf Jahren in die erste Bundesliga aufzusteigen, am UEFA-Cup teilzunehmen und somit unheimlich viel Geld zu verdienen, dann bekommen die Leute ihr Geld wieder. Diese Chance ist natürlich momentan eher gering, realistisch gesprochen. Aber theoretisch, wenn wir genug schwarze Zahlen schreiben und diese Summe groß genug wäre, könnten die ihr Geld wieder kriegen. Das ist ja auch legitim und in Ordnung. Aber bis dato ist das ein quasi Komplett-Verzicht. Die Wahrscheinlichkeit soviel Geld zu verdienen, da muss ja die Höhe eines gewissen Gewinnes erst mal überschritten werden, damit das überhaupt wirksam wird. Es ist nicht so, dass bei jedem Gewinn das Geld sofort aus dem Verein raus gezogen werden kann.

    Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg mit den Rettungsaktionen!

    Geschrieben von:  Anne80

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