SG Dynamo Dresden, 19. August 2011

 

Augenzeuge – der Wochenrückblick der Fangemeinschaft Dynamo mit der Schweigeminute

Was für ein Spiel! Ein wieder einmal prallgefülltes Dynamostadion feiert einen Sieg gegen die Eisernen vom 1. FC Union Berlin, den es in dieser Höhe zuletzt in einer Zeit gab, als Geld noch aus Aluminium gemacht wurde. Vier wunderbare blitzsaubere Tore, ein offenbar therapierter Gagelmann und Torschützen, die nur deshalb treffen konnten, weil Kollegen zu spät zur Arbeit kamen. Fast scheint es so, als könnte die SG Dynamo Dresden im Moment einfach nichts falsch machen. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Hoch noch eine Weile anhält und die auch in dieser Saison unausweichlichen Durststrecken von allen Dynamofans mit ebenso viel Leidenschaft und Feuer begleitet werden, wie das aktuelle Hoch.

Dass Tore und Siege des geliebten Fußballvereins zwar toll, gemessen an anderen Dingen aber völlig unwichtige Banalitäten sind, wurde in der Halbzeitpause des Union-Spiels deutlich. Diana Schantin und Andreas Ritter, das Präsidium unseres Vereins, hatten für den beim Pokalspiel im Stadion mit einem Herzinfarkt zusammengebrochenen und später verstorbenen Dynamofan zu einer Schweigeminute gebeten. Als erschreckend und peinlich erlebte die Fangemeinschaft Dynamo dabei, dass bei einigen Zuschauern ganz offensichtlich etwas völlig fehlt, dass man gemeinhin als ‚Anstand‘ bezeichnet. Zahlreiche Stadionbesucher, dabei auffällig viele im VIP-Bereich, hielten es tatsächlich nicht für notwendig und angebracht, zugunsten eines kurzen Gedenkens eine Minute länger als gewohnt auf Bier und Bratwurst zu verzichten. Dass dies beileibe nicht nur an eventuell fehlender Information lag, bewiesen die auf Nachfrage gegebenen Antworten solcher asozialen Möchtegernfans. Die Fangemeinschaft Dynamo hofft inständig, dass diese Nichtdynamos Spiele unserer SGD künftig nur noch dort verfolgen, wo sie sich vermutlich ohnehin am wohlsten fühlen: zwischen Fernseher und Kühlschrank.

Einen Augenblick sollten alle Fußballfans vielleicht noch darauf verwenden, einmal kurz darüber nachzudenken, warum die Schweigeminute nicht wie üblich direkt vor Anpfiff des Spiels durchgeführt wurde. Ebenso simpler wie erschreckender Grund war, dass dies Dynamo vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) mit Hinweis auf die Live-Fernsehübertragung nicht genehmigt wurde. Die Fangemeinschaft Dynamo hält dies – vorsichtig formuliert – für erstaunlich für einen Verband, der seine Sozialkompetenz und gesellschaftliche Verantwortung ansonsten geradezu wie eine Flagge vor sich her trägt und dessen offen zur Schau getragene Bestürzung auf Robert Enkes Trauerfeier so geradezu zur Scheinheiligkeit gerät. Bei genauerem Hinsehen wiederum, ist am Verhalten des Verbandes allerdings überhaupt nichts Ungewöhnliches. Schließlich sind nun einmal für die Produzenten des Produktes Fußball – und damit auch für den DFB – die Bedürfnisse des Fußballfans im Stadion maximal zweitrangig. Der Fan im Stadion ist in der Wahrnehmung und Bewertung von Verbänden, aber auch von Vereinen, mittlerweile nichts anderes mehr als die zu einer erfolgreichen Vermarktung notwendige Folklore. Dies beweisen Wucherpreise, Topzuschläge, Montagsspiele, Fahnenstocklängen und Sektorentrennungen leider genauso, wie der unvorstellbare Irrsinn, dass minutiös geplante TV-Werbeblöcke wichtiger sind, als das gemeinsame kurze Innehalten aus Respekt vor einem verstorbenen Menschen. So betrachtet, müssten eigentlich alle Fußballfans, die am vergangenen Freitag das Verhalten des DFB schlimm fanden, nur ernsthaft darüber nachdenken, wie sie ihre Position als Fußballfan stärken und verbessern können. Möglichkeiten dazu gibt es. Eine davon sind wir.

Fangemeinschaft Dynamo

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Geschrieben von:  Stephan R.T.