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  • 1. FC Union Berlin, 20. November 2007

     

    Stellungnahme des Wuhlesyndikat '02


    Von:  yeti

    In der zweiten Hälfte des Spiels 1. FC Union Berlin gegen VfB Lübeck zeigten die Ultragruppen ‚Wuhlesyndikat’ und ‚Teen Spirit Köpenick’ Spruchbänder zu den jüngsten Vorfällen nach dem Auswärtsspiel in Magdeburg. Das muss den zuständigen Einsatzleiter der Polizei so sehr gestört haben, dass er Verantwortliche des Vereins dazu anhielt, eine Fahne mit dem Konterfei von Innenminister Wolfgang Schäuble und der Aufschrift ‚Stasi 2.0’ entfernen zu lassen. Dadurch entstand eine bedauerliche Verkettung von Missverständnissen, zu denen das Wuhlesyndikat nun öffentlich Stellung nimmt:

    Stellungnahme nach den Geschehnissen rund ums Lübeck-Heimspiel

    In Anbetracht der Vorfälle rund um das Heimspiel gegen den VfB Lübeck und der aufkommenden Diskussion und Unklarheit möchten wir als Gruppe ‚Wuhlesyndikat’ dazu auch öffentlich Stellung nehmen. Ganz klar möchten wir betonen, dass es absolut keine Aktion gegen unser Team war und wir liebend gerne auch in jener Partie unsere Mannschaft lautstark zum Sieg schreien wollten, doch wir uns in unserer freien Meinungsäußerung seitens des Vereins, die freilich auch mal kritisch aktuelle Themen ansprechen kann, eingeschränkt sahen.

    Die Fakten
    Nach dem Präsentieren einer kleinen Fahne mit dem Bild des Innenministers Wolfgang Schäuble samt Untertitel ‚Stasi 2.0’ wird seitens des Ordnungsdienstes des 1. FC Union die Bitte in der Halbzeit an uns herangetragen, diese Fahne doch nicht mehr zu zeigen. Da uns jedoch das Anliegen (auf welches wir hier noch eingehen) wichtig ist, wurde nach einem weiteren Präsentieren der Ton schärfer und wir wurden mit der Aussage konfrontiert, der 1. FC Union macht von seinem Hausrecht gebrauch, möchte diese Fahne einziehen und droht bei erneutem Gebrauch ein Stadionverbot an, worauf wir unsere Zaunfahne abnahmen, den Support einstellten und das Stadion verließen.

    Hintergründe
    Der Schritt, das demjenigen ein Stadionverbot erteilt wird, wenn jene Fahne weitere Verwendung findet, war dann sicher derjenige, der das Fass zum Überlaufen brachte, weil für jeden von uns ein Stadionverbot und das langjährige Fernbleiben von Spielen unseres Vereins ein persönliches Fiasko wäre und die Vergabepraxis hierzulande oft eh schon sehr fragwürdig ist (wobei wir beim 1. FC Union noch wirklich eine positive Verfahrensweise besitzen), wir dann aber natürlich sprachlos waren, dass eine simple Fahne Auslöser für ein solch langjähriges Verbot sein sollte. Der Grund für diese Fahne war sicherlich ein politischer und auch wir sind der Meinung, dass Politik am Stadioneingang abgelegt werden sollte. Fanpolitik und die Auswirkungen auf uns, wenn wir ein Fußballspiel besuchen, sollte man dagegen schon kritisch beäugen und auch mal in Frage stellen dürfen, da sie den Rahmen unseres geliebten Fußballsports mitbestimmen.

    Wer mit offenen Augen durch dieses Land fährt, der erkennt schnell, das Vorfälle wie bspw. in Chemnitz schon lange keine Einzelfälle mehr sind und die Polizei von Jahr zu Jahr präsenter um die Spiele vertreten ist und die Freiheiten rund um den Spieltag immer geringer werden. Sei es Anreisezwänge, Ausstiegszwänge an bestimmten Bahnhöfen, Verbote von Fanutensilien im Stadion, eine fragwürdige Stadionverbotspraxis, fragwürdige Datensammlungen usw…eine schier unendliche Liste, die nicht der Polizei nach Lust und Laune eingefallen ist, sondern die staatlich gesteuert wird durch ein Konzept der nationalen Sicherheit bei Sportveranstaltungen unter der Schirmherrschaft des deutschen Innenministers. Und wenn man massiv von solchen Maßnahmen betroffen ist, nur weil man seinen Verein auch mal auswärts begleiten möchte, dann muss man auch auf jener Bühne auf der wir spielen, sprich im Fanblock mal kritisch dies Ganze hinterfragen dürfen, selbst wenn wir Politik außen vor lassen wollen. Dies ist Politik die uns von Spiel zu Spiel widerfährt, die nicht in irgendeinem Plenarsaal ausgekaspert und wirksam wird, sondern die wir leiblich erfahren. Der Fan wird hierzulande ja nicht mehr als Fan angesehen, sondern in den Medien bewusst als Sicherheitsrisiko dargestellt um weitere repressive Maßnahmen beschließen zu können. Beobachtet doch mal die Medien aufmerksam, in Italien wird ein Fan von einem Polizisten erschossen und als erste Maßnahme werden Auswärtsfahrten verboten. Wird da nicht der Opfer-Täter-Vergleich völlig verschoben? Es ist scheinbar egal, man hat erstmal wieder Schlagzeilen für weitere Repressionen und auch hierzulande sieht es nicht viel besser aus. Ein Gesetz wird beschlossen, das Internet- und Telefonüberwachung auch ohne konkreten Verdachtsfall ermöglicht, zudem existieren weiterhin zig Dateien in der jeder der in eine simple Routineausweiskontrolle gerät, als Gewalttäter Sport erfasst werden kann. Glaubt ihr es ist schön, wenn man privat verreist und an der Grenze daraufhin Rede und Antwort stehen muss? Ist dies denn Politik die uns nicht betrifft und die wir am Stadiontor ablegen? Nein, dies ist Fanpolitik und die geht uns eben etwas an und im gesetzlichen Rahmen sollte man dort auch ganz klar auf sein Recht der freien Meinungsäußerung bestehen, ein Recht welches auch nicht immer hierzulande so bestand und für welches die Menschen gekämpft haben. Und dieses verwendete ‚Stasi 2.0.’ widerspricht dem überhaupt nicht und wird öffentlich als Shirt- oder Aufklebermotiv vertrieben, dem werden ganze Ausstellungen gewidmet und auch auf Demonstrationen erblickt man massiv dieses verwendete Motiv, womit wir uns sicher auch im gesetzlichen Rahmen bewegen oder gilt dies mal wieder für Fußballfans nicht?

    Da in Folge dieser Geschehnisse sicher viele Fragezeichen zur Debatte standen, gab es daraufhin natürlich schon Gespräche unsererseits mit Herrn Schlensog, dem Sicherheitsbeauftragten unseres Vereins und dabei wurden auch ein paar Widersprüche aufgeklärt. Die Forderung eines Stadionverbotes stellte sich wohl als Widerspruch in der Kommunikation heraus und der Auslöser für dies ‚Einziehen’ der Fahne kam wohl grundlegend nicht von unserem Verein (wovon wir ausgingen), auch wenn wir dies erst im Nachgang so erfahren hatten. Daher gab es sicherlich diverse unglückliche Missverständnisse und sicher sind wir auch weiterhin bereit, darüber mit den entsprechenden Stellen zu kommunizieren um eine Eskalation zu vermeiden, jedoch stehen wir weiterhin absolut für diese kritische Betrachtung der Sicherheitsszenerie rund um Fußballspiele und wir werden weiterhin im Rahmen unserer Möglichkeiten Missstände in diesem Land anprangern, wenn sie uns als Fußballfans betreffen. Wir möchten auch nachfolgenden Generationen die Möglichkeiten geben, sich dem Fußballsport zu verschreiben und die Faszinationen rund um diesen Sport und dem Leben in einem Fanblock für sich entdecken können. Wir alle, ihr, wir, die Generation vor uns, haben uns in Union verliebt und leben für diesen Verein und die Faszination Fanblock und Fankultur hat uns bewegt und lässt uns auch nicht mehr los, es bestimmt unser Leben und es wäre schade wenn kommende Generationen nicht mehr diese Freiräume geniessen könnten. Freiräume die man sich erschafft, die aber auch immer im Rahmen bleiben, der gesetzlich vertretbar ist und in erster Linie dem Verein zu Gute kommen.

    Die Reaktion am Samstag war dabei sicher eine Zusammenkunft von diversen Übermittlungsmissverständnissen, aber grundlegend und vor allem inhaltlich stehen wir zu unseren Aussagen.

    Wuhlesyndikat am 19.11.2007


    Inzwischen hatte auch der Verein auf seiner Homepage eine Erklärung veröffentlicht, in der er sich klar zum Erhalt des Rechts au freie Meinungsäußerung im Stadion bekennt. Allerdings unter der Maßgabe, dass diese Meinungsäußerungen weder Beleidigungen, noch Verunglimpfungen enthalten.

    Geschrieben von:  yeti

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