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  • 1. FC Eschborn, 25. Januar 2008

     

    „Da bin ich absolut optimistisch“


    Von:  thom.as

    Vor zwei Jahren stand der 1. FC Eschborn noch in der Regionalliga Süd. Es kam jedoch zur finanziellen Katastrophe. Der Verein stieg ab, konnte sich auch in der Oberliga nicht behaupten und bekam ohnehin keine Lizenz für die Oberligasaison 2007/08. Viele Spieler verließen daraufhin den Verein. Letztlich stand am Anfang dieser Landesligasaison ein rundum neues Team auf dem Platz. Auch der Trainer Thomas Biehrer wurde erst im Sommer verpflichtet. Er wechselte vom Oberligisten SV Bernbach nach Eschborn. Mit ihm sollte ein kompletter Neuanfang gestartet werden. Und derzeit steht seine Mannschaft auf dem fünften Platz der Landesliga Hessen Mitte. Er formte aus einer uneingespielten, teils unerfahrenen und jungen Truppe eine erfolgreiche Mannschaft. Wie er das angestellt hat,erzählte uns der 43 Jahre alte Trainer im Gespräch.

    Wenn Sie noch einmal auf die Hinrunde zurückblicken, wie ist sie in Ihren Augen verlaufen?

    Im Grunde bin ich nicht unzufrieden. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass ich über manche Dinge nicht ganz so glücklich war. Wir haben im Grunde einen komplett neuen Kader mit insgesamt zwölf Neuzugängen. Das konnten wir allerdings intern recht gut integrieren. Dennoch haben wir zu viel Zeit benötigt, um uns an die Anforderungen der Landesliga zu gewöhnen. Es wurde teilweise schon fast überheblich gespielt. Und dadurch wurden Punkte liegen lassen, die wir nicht hätten verlieren brauchen. Des wurde schwer, den Abstand zu den zwei Aufstiegsplätzen nicht zu groß werden zu lassen. In den letzten sieben Spielen konnten wir das alles glücklicherweise noch etwas drehen und verkürzen. In dieser Zeit sind wir ungeschlagen. Unser Minimalziel, Platz drei aus eigener Kraft, ist noch zu erreichen. Dieser Rang würde bedeuten, dass wir im Sommer in der Relegation um den Aufstieg spielen würden. Alles in allem, wie gesagt, bin ich nicht unzufrieden, aber es hätte einiges besser sein können.

    Sie gingen in diese Saison mit einem, wie Sie schon sagten, fast komplett neuem Team. Konnte man wirklich damit rechnen, dass die Mannschaft so gut abschneiden wird?

    Die Saison 2007/08 läuft ja auch vor dem Hintergrund, dass der 1. FC Eschborn in den vergangenen zwei Jahren zweimal abgestiegen ist von der Regionalliga schließlich in die Landesliga. Es hat auch durchaus eine Zeit gedauert, bis im Team die Abstimmung gefunden wurde. Immerhin wurde mit mir ein neuer Trainer verpflichtet und viele junge Spieler in den Kader geholt - natürlich auch, weil der finanzielle Rahmen sehr, sehr eng gesteckt ist. Diese Spieler mussten sich auch erst mal an meine Anforderungen gewöhnen. Aber im Laufe der Saison konnten wir uns dann aufeinander einstellen.

    Natürlich will man als Absteiger sofort wieder in die entsprechende Klasse aufsteigen. Vom sportlichen Potential unserer Mannschaft ist das auch zu schaffen, denke ich. Finanziell wäre ein Wiederaufstieg schon ein Kraftakt für den Verein. Sagen wir es so, es gab und gibt mit Sicherheit andere Vereine in dieser Landesliga, die favorisierter sind als wir.

    Ist der Erfolg den Neuzugängen und der guten Personalpolitik zuzuschreiben? Oder, welche Veränderungen haben Sie, etwa taktischer Natur, vorgenommen, die das Team so gut abschneiden ließen?

    Ich habe beim 1. FC Eschborn die Vierer-Kette eingeführt. Das ist ganz einfach eine Grundvoraussetzung im modernen Fußballspiel. Für die meisten Spieler war das neu. Die kannten nur die klassische Variante mit einem Libero und zwei Manndeckern. Es hat eben etwas gedauert, bis sich die Spieler darauf eingestellt hatten.

    Meine Philosophie ist eigentlich das Offensivspiel, ohne dem Gegner viele Torchancen zu ermöglichen. Ein Spiel nach vorne aus dem Kollektiv heraus, und das in einem möglichst hohen Tempo. Einige Spieler haben da schon etwas Zeit benötigt, um sich daran zu gewöhnen. Gerade auch etablierte Spieler, die etwas eingefahren waren auf ihren Positionen. Wir haben die Mannschaft teilweise bunt durcheinander gewürfelt. Und manche mussten eben erst einmal damit zurecht kommen. Grob gesagt, mussten einige Spieler erst einmal wieder ihr Hirn einschalten im Fußballspiel. Automatismen hin oder her, die sind schön und gut, aber es waren vielleicht Anforderungen gegeben, die der eine oder andere in dieser Form noch nicht kannte, die ich dennoch verlange und die wir auch benötigen um entsprechenden Erfolg zu haben.

    Sie haben in der Mitte der Saison etwas geschwächelt...

    ...wir können durchaus behaupten, dass wir einen ‚Schwarzen Oktober’ hatten. Ich glaube ein unentschieden war das höchste der Gefühle. In dieser Phase hatten wir zwar auch gesperrte und verletzte Spieler, aber das darf keine Ausrede sein, denn unser Kader ist groß genug, um Ausfälle kompensieren zu können. Der Anspruch der Leute, die auf der Bank sitzen, ist ja, von Anfang an spielen zu dürfen.

    In dieser Schwächephase lagen wir zeitweise elf Punkte hinter den Aufstiegsplätzen. Man muss schon sagen, dass das eine kritische Situation war. Auch von Seiten des Vereins und des übrigen Umfelds kamen dann Unruhen auf, weil sportlich doch etwas mehr verlangt wurde. Teilweise liebäugelte man bereits mit dem Wiederaufstieg. Dann haben wir etwas an Boden verloren. Allerdings haben andere Mannschaften das auch. Solche Phasen hat man eben in einer Saison. Dafür spielten wir einen super November und Dezember mit sechs Siegen und einem unentschieden.

    Was wurde verändert, dass plötzlich der Erfolg derart zurückkam? Lag es nur an den gesperrten und verletzten Spielern?

    Wir haben Henning Zimmermann in der Abwehr installiert. Vorher war er beruflich sehr stark eingebunden und konnte nie mit der Mannschaft trainieren. Er hat immer mal wieder in der zweiten Mannschaft gespielt. Erst ab Mitte/Ende Oktober konnte er eben richtig einsteigen. Er ist einfach ein erfahrener Mann, der viel Ruhe ausstrahlt. Nicht zuletzt deswegen sind wir einfach sicherer geworden.

    Außerdem hatten wird ein Schlüsselerlebnis im Auswärtsspiel gegen den FSV Braunfels. Wir konnten dort 1:0 gewinnen. Und es war das erste Mal seit langem, dass wir zu Null gespielt hatten. Ab diesem Match hat jeder wieder etwas mehr an sich und auch an das Spielsystem geglaubt. Und manchmal wird so etwas zum Selbstläufer, dann kommt das Selbstvertrauen wieder zurück. Ich erinnere nur daran, dass wir in eben diesem Spiel fast 70 Minuten mit zehn Mann spielen mussten und trotzdem 1:0 siegten. Dieses Schlüsselerlebnis haben wir dann eben ins positive umgesetzt.

    Sie erwähnten, dass Sie eher zum Offensivspiel tendieren. Dennoch stellen Sie mit nur 28 Gegentoren die zweitbeste Defensive der Liga, hinter dem TSV Braunfels. Wie ist diese Defensivstärke mit ihrer Offensivaffinität zu vereinbaren?

    Sehen Sie sich doch einmal die Spiele ab Ende Oktober an, was wir da geleistet haben. Wir haben genau ein Gegentor in sieben Spielen kassiert!

    Das heißt aber auch, dass wir von August bis einschließlich Oktober viel zu viele Gegentreffer hinnehmen mussten. Am Anfang der Saison haben wir etwas überheblich und auch leichtsinnig nach vorne gespielt. Jeder wollte glänzen, gut aussehen und an den Toren beteiligt sein. Uns hat für lange, vielleicht sogar zu lange Zeit die Ordnung gefehlt. Gerade in der Rückwärtsbewegung. In dieser Zeit haben wir viele Punkte liegen lassen.

    Meine Philosophie bedeutet auch, dass ich lieber 5:4 gewinne als 1:0. Das haben die Jungs auch verinnerlicht. Dennoch heißt das nicht, dass wir immer so offen spielen und jedes Mal auf solch ein Eishockey-Ergebnis aus sind, das ist klar

    Wie schafft man es als Trainer, seine Spieler wieder auf den Boden zurückzuholen, wenn sie, wie sie sagten, mehr auf Selbstdarstellung aus waren?

    Das schafft man als Trainer, indem man den Jungs einfach vorhält, was sich, entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise, für einen ‚Scheiß’ spielen. Als wir bei der SG Walluf mit 6:3 verloren, war das für uns ein regelrechtes Schockerlebnis, und ich habe den Spielern auch angesehen, dass sie es selbst nicht fassen konnten, was gerade geschehen war, was sie für eine Leistung abgeliefert hatten. Wir hatten dann aber das Glück, am darauf folgenden Wochenende spielfrei zu sein. Diese insgesamt zwei Wochen haben wir knallhart genutzt, um auch mal unsere Fehler anzusprechen und zwar ohne Rücksicht auf Namen. Das ist natürlich hinter verschlossenen Türen geschehen. Dort kam vieles auf den Tisch. In diesen zwei Wochen haben wir eben sehr hart an uns gearbeitet. Nach diesem spielfreien Wochenende hatten wir dann auch dieses Riesenerlebnis in Braunfels. Jeder Spieler hat sich einfach an die eigene Nase gefasst. Und glücklicherweise haben wir am Ende des Jahres dann die Kurve noch gekriegt.

    Was muss konkret besser werden in der Rückrunde?

    Wir müssen an diese Konstanz der letzten sieben Spiele anschließen, denn wir haben immerhin sieben und fünf Punkte Rückstand auf die Plätze eins und zwei. Am Anfang erwartet uns ein Hammerprogramm. Gleich das erste Spiel am 19. Februar bestreiten wir zu Hause gegen den Tabellenzweiten Eintracht Stadtallendorf und am 23. Februar gegen den Erstplatzierten VfB Marburg. Darauf arbeiten wir in der Vorbereitung hin. Wir dürfen in diesen Spielen auf keinen Fall zweimal verlieren, ansonsten wird es richtig schwer für uns. Aber ich bin guter Dinge. In der bisherigen Vorbereitung haben wir gut gearbeitet. Uns bleiben noch drei Wochen, um dann diese so genannten ‚Big Points’ zu holen. In der Hinrunde haben wir gegen die direkten Konkurrenten von jenen Punkten einfach zu wenig gemacht.

    Sie wurden verpflichtet vor dem Hintergrund eines Neuaufbaus. Kann man schon von einem gelungenen Neuaufbau sprechen?

    Zum großen Teil würde ich das unterstreichen. Wir haben es in der Tat geschafft, viele junge Spieler, die jetzt auch von Anfang an spielen, zu integrieren. Für mich als relativ junger Trainer ist es auch schön, wenn wir im Training ‚Jung gegen Alt’ spielen und die 23-Jährigen im ‚Team Alt’ dabei sind. Natürlich haben wir viele, die noch einiges zu lernen haben, die nach wie vor Fehler machen werden und auch machen dürfen. Dieser Prozess des Neuaufbaus geht eben nicht von heute auf morgen.

    Wenn man wie wir, sieben Spiele ungeschlagen ist, weckt das natürlich auch wieder Begehrlichkeiten im Verein und im Umfeld. Dann kann man wieder Stimmen vernehmen, die sagen: „Wir müssen wieder hoch“. Ehrlich gesagt wäre ich nicht wirklich unglücklich darüber, wenn es letztendlich doch nicht klappt. Damit könnte ich leben. Wenn der Aufstieg verpasst wird, wir aber die jungen Spieler einen Schritt weitergebracht hätten, wäre das im Hinblick auf die nächste Saison vielleicht auch gar nicht so schlecht. Dann hätten wir 2008/09 eine richtig gute und schlagkräftige Truppe. Erst dann wäre in meinen Augen der Umbruch geschafft.

    In Eschborn sind viele Leute im Umfeld des Vereins, die besseres gewöhnt sind, sprich Regionalliga. Und die träumen natürlich von einem Wiederaufstieg in diese Klasse. Aber da muss man den Ball einfach mal flach halten. In der momentanen Situation ist das schlicht nicht möglich.

    Wenn Eschborn aufsteigen sollte, dürfte man dann eigentlich in der Oberliga spielen? Bekäme man eine Lizenz für diese Klasse?

    Das läuft alles unter der Feder des Insolvenzverwalters. Da aber, soweit ich einen Einblick habe, nichts ausgegeben werden kann, was nicht da ist, bin ich mir eigentlich sicher, dass der 1. FC Eschborn die Lizenz bekäme, allerdings auf einem ganz niedrigen Niveau. Im Kader sind nicht wirklich die ganz großen Verdienstmöglichkeiten gegeben. Die älteren Spieler, die beim Verein geblieben sind, taten dies unter der Prämisse, den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen. Auch an Neuzugängen konnten wir eben nur viele junge Spieler holen. Aber ich gehe davon aus, dass die Lizenz erteilt wird. Wie dann eine eventuelle Aufstockung des Kaders aussehen könnte, steht auf einem anderen Blatt. Eben weil der finanzielle Rahmen sehr begrenzt ist.

    Könnte der jetzige Kader in der Oberliga bestehen?

    Der könnte sich sicherlich behaupten in der Oberliga, wenn wir in jedem Spiel an unsere Grenzen gehen. Aber das müssen wir in dieser Landesliga auch. Da gibt es keine leichten Spiele. Durch die jungen Spieler haben wir ein großes Entwicklungspotential. Allerdings würde, wenn man einen so weiten Blick in die Zukunft wagt, die Saison bestimmt sehr schwer werden.

    Auf welchem Rang stehen Sie am Ende dieser Saison? Ehrlich!

    Auf Platz zwei. Dieser Rang würde uns in diesem Jahr zu einem Direktaufstieg berechtigen. Da bin ich absolut optimistisch.

    Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg.

    Geschrieben von:  thom.as

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