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  • LFC 1892 Berlin, 10. Oktober 2012

     

    „Der Frust bei mir war zeitweilig riesengroß“


    Von:  Stephan R.T.

    Im Sommer 2011 übernahm Peter Heinrich das Traineramt beim Fußball-Oberligisten LFC 1892 Berlin und musste lange auf den ersten dreifachen Punkterfolg warten. Denn erst an den vergangenen beiden Wochenenden gab es Siege gegen den FC Pommern Greifswald (2:1) und den SV Waren 09 (5:3). Wie sich das anfüllt, nach einer solchen Negativserie endlich wieder zu gewinnen und wohin es mit dem LFC in dieser Spielzeit gehen soll, dazu stand uns Peter Heinrich nun Rede und Antwort.

    Herr Heinrich, wie groß war die Erleichterung bei Ihnen und Ihrem Team als gegen den FC Pommern Greifswald der erste Ligaerfolg nach 16 sieglosen Monaten gelang?

    Riesengroß! Diese schier unendlich anmutende Negativserie hing wie ein bleierner Schleier über uns – und war tonnenschwer! Bei einigen Verantwortlichen sind nach dem Schlusspfiff sogar Tränen geflossen, so richtig wusste ja auch keiner mehr, wie es sich anfühlt, in einem Punktspiel den Platz als Sieger zu verlassen.

    Und dann folgte gleich eine Woche später der 5:3-Sieg gegen den SV Waren 09, ist der Knoten damit geplatzt?

    Das will ich so nicht behaupten, zumal beide Siege sich nicht unbedingt dadurch ausgezeichnet haben, dass wir spielerisch oder taktisch überzeugt haben. Es waren vielmehr Siege des Willens. Genau das war es aber auch, was wir als Trainer nach dem blutleeren Auftritt in Rostock eingefordert haben. Wir haben – insbesondere im Spiel bei L47 – schon deutlich besser gespielt, standen am Ende jedoch stets mit leeren Händen dar. In den drei Partien, in denen wir bisher punkten konnten, haben wir aber genau diese Attribute wie Einstellung, Lauf- u. Kampfbereitschaft an den Tag gelegt. Das ist und bleibt unsere Basis. Um aber eine derart lange Negativserie gänzlich aus den Köpfen zu bekommen, bedarf es sicherlich etwas mehr Zeit – und noch das eine oder andere Erfolgserlebnis!

    Wie schwer ist es eigentlich für einen Trainer, die Laune und das Selbstbewusstsein einer Mannschaft hochzuhalten, die scheinbar das Siegen verlernt hatte?

    Der Charakter der Mannschaft hat an sich immer gestimmt, nur waren uns Trainern – insbesondere in der vergangenen Saison – die Hände gebunden. Es war früh klar: wir können nicht mehr absteigen. Die meisten Spieler haben keine Aufwandsentschädigung erhalten, wir hatten sehr viele Spieler dabei, die demzufolge ihrem Abiturabschluss, der Ausbildung oder dem Studium berechtigter Weise weitaus mehr Augenmerk geschenkt haben, als einer regelmäßigen Trainingsbeteiligung. Trotz der teils deprimierenden Ergebnisse war die Stimmung nie richtig schlecht, hat man sich nie gegenseitig runter gezogen oder gar zerfleischt, was sicherlich weniger mit dem Wirken respektive der Einflussnahme des Trainers als vielmehr mit den bereits genannten Umständen zu tun hatte.

    Haben Sie in der sieglosen Zeit auch mal an sich selbst gezweifelt und hat man von Vereinsseite immer hinter Ihnen gestanden?

    Selbst gezweifelt? Ohne Ende! Der Frust bei mir war zeitweilig riesengroß und ich konnte ihn wahrlich nicht immer vor der Mannschaft und meinem Umfeld verbergen. Dafür bin ich selbst einfach zu ehrgeizig. Ich musste dann irgendwann lernen, dass man nicht immer auf alles Einfluss nehmen kann und dass der Verein an sich oberste Priorität hat. So haben wir dann die im Aufstiegskampf befindliche A-Jugend z.B. dadurch unterstützt, dass sie unsere Rasentrainingszeiten nutzen konnte oder die zweite Mannschaft, die sich bis zum Ende der Saison im Abstiegskampf befand, personell bis an die Grenzen unterstützt. So kam es zu der skurrilen Situation, dass wie in Neubrandenburg von vornherein – in einem Oberligapunktspiel – einen 19-jährigen Feldspieler ins Tor stellen mussten und mein Co-Trainer, Marcel König, mit knapp 40 Jahren nicht nur diverse Male auf dem Spielformular stand, sondern auch diverse Einsätze bei uns hatte.

    Und was den Verein bzw. die Vereinsführung anbelangt: Sensationell! Es gab immer eine sehr positive, offene Kommunikation, alle Seiten konnten die Situation jederzeit realistisch einschätzen und von Hektik oder Aktionismus war weit und breit nichts zu sehen. Olaf Fechner und Ulli Brüggemann mit ihrem Vorstandsteam suchen diesbezüglich definitiv seinesgleichen.

    Was ist für Ihre Mannschaft in dieser Saison drin?

    Das wir drei Mannschaften hinter uns lassen, um auch in der kommenden Saison weiterhin Oberliga-Fußball in Lichterfelde bieten zu können. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

    Was wollen Sie an Ihrer Mannschaft in dieser Spielzeit noch verbessern?

    Auf dem Platz haben wir noch das Problem, dass wir zu wenig miteinander reden. Wir sind eben doch erst auf den letzten Drücker ‚zusammengewürfelt‘ worden, zudem sind die Felsenberg-Brüder als Leithammel nicht mehr dabei. Da muss sich eine interne Hierarchie erst noch richtig finden. Zudem mangelt es uns an der richtigen Mischung aus solider defensiver Grundordnung und strukturiertem Offensivspiel. Da sind wir als Trainer gefordert dies taktisch vermehrt zu erarbeiten, was bisher schwierig war, da wir in der Konstellation als Team erst seit Ende August zusammen sind. Hier ist noch viel Nachholbedarf. Das wird auch schwierig bleiben, da wir mittlerweile zwar durchaus gute Offensivspieler haben, deren Stärken allerdings naturgemäß auch nicht unbedingt im Defensivverhalten liegen. Hier die richtige Mischung zu finden, wird wohl eines der Hauptthemen in dieser Saison sein.

    Wer sind für Sie die Favoriten für den Aufstieg und wer wird Ihrer Meinung nach am Ende der Spielzeit einen Abstiegsplatz belegen?

    Ich denke schon, dass sich die professionellen Strukturen von Viktoria und Dynamo durchsetzen werden. Mein alter Verein aus Fürstenwalde wird dort oben – zusammen mit Luckenwalde und vielleicht auch Altglienicke – die Rolle des Hechts im Karpfenteich einnehmen. Alles Teams mit gewachsenen Strukturen und einem großen Maß an Kontinuität.

    Und zum Abstiegsrennen nur so viel: wir waren und sind von Beginn an einer der heißesten Kandidaten auf einen der drei Abstiegsplätze. Wir sind uns dessen bewusst und nehmen den Kampf an! Wer sich außer uns am Ende dort unten einfinden wird, kann und muss uns egal sein. Hauptsache nach 30 Spieltagen stehen in der Abschlusstabelle drei Mannschaften unter uns.

    Wenn Sie sich für Ihr Team irgendeinen Fußballer aus der ganzen Welt wünschen dürften, welcher wäre es und warum?

    Wenn es auch Spieler aus der Vergangenheit sein dürften, dann wohl George Best! Das war ein lockerer Typ („…ich habe 80 Prozent meines Geldes für schnelle Autos, Weiber und Alkohol, ausgegeben – den Rest habe ich einfach verprasst!“), konnte ‚abliefern‘ und feiern! Das wäre der Typ, der unserer Mannschaft ganz gut zu Gesicht stehen würde...! (lacht)

    Vielen Dank für die Zeit, die Sie sich für uns genommen haben und viel Erfolg in der Spielzeit 2012/13.

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    Geschrieben von:  Stephan R.T.

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