Die-Fans.de

Stadien, Fans und Leidenschaft - Regionaler Fußball pur

Du bist hier:  Nordost | Startseite » Aktuell » Artikel
Erlebnis Fußball 89 – 192 vollfarbige Seiten mit den Themen aus den Fankurven
u.a. mit Investoren und Protest, Kurvenlieder und ihre Geschichten sowie 50 Jahre Ultras Viola
  • 1. FC Union Berlin, 02. August 2008

     

    „Die unterklassigen Vereine investieren oft lieber in Beine, als in Strukturen“


    Von:  Stephan R.T.

    Am 29. Januar 2004 hatte sich ‚Svenne’ dazu entschieden, sich auf unserer Seite zu registrieren. Der 28-jährige Familienvater, den es aus beruflichen Gründen nach Offenbach verschlagen hat, ist Fan des 1. FC Union Berlin, bei dem er sich vor allem für die Nachwuchsarbeit einbringt. Wie ‚Svenne’ überhaupt zu den ‚Eisernen’ gestoßen ist, das steht in seinen Antworten auf unsere Frage.

    Wie ist Deine Leidenschaft für den Fußball entstanden? Welche Erinnerung hast Du noch von den ersten Spielen, was war das für Dich damals für ein Erlebnis?

    Meine erste große Leidenschaft war eigentlich Tennis. Allerdings war der 1. FC Union schon immer allgegenwärtig, da ich in Köpenick aufgewachsen und zur Schule gegangen bin. Ich habe als ganz kleiner Junge sogar mal bei Union vorgespielt, aber ich war wohl nicht talentiert genug.

    Erst als ich im Alter von zwölf Jahren das erste Mal die ‚Alte Försterei’ betrat, war es um mich geschehen. An einem kalten Dezembertag im Jahre 1992 nahm mich erstmals mein Schulkamerad Danny mit ins Stadion. Es war zu einer Zeit als die grauen Traversen des Stadions fast menschenleer waren und nur das große Stadion selbst an bessere Zeiten erinnerte. Ich glaube es war eines der am schlechtesten besuchten Heimspiele Unions, die es je gab. Nur gut 200 Zuschauer fanden sich damals zum Paul-Rusch-Pokal-Achtelfinale gegen den SC Staaken ein. 8:0 putzte Union die Staakener und wenn ich mich recht erinnere, schoss Jacek Mencel die meisten Tore.

    Ich weiß wirklich nicht was es genau war, was mich so beeindruckte, aber fortan war ich gefesselt vom Fußball und vor allem von Union. Vielleicht deshalb, weil mir gleich in meiner ersten Saison die krassen Gegensätze dieses Clubs aufgezeigt wurden. Wir spielten gegen Mannschaften wie Thale 04 oder Marathon 02 vor manchmal nur 800 Zuschauern, während wir im Freundschaftsspiel gegen den großen FC Bayern, als auch in den Relegationsheimspielen gegen TeBe und Bischofswerda 15.000 Zuschauer hatten. Sportlich wurden wir souveräner Meister der Oberliga Staffel Mitte und setzten uns letztlich in der Relegation zur zweiten Liga durch und stiegen auf. Drei Wochen später verblasste die Freude, weil Union die Lizenz entzogen wurde.

    Wie zufrieden bist Du mit der aktuellen Leistung deiner Mannschaft?

    Wir haben die dritte Liga erreicht. Ich glaube, da sollte man kurzfristig sehr zufrieden sein. Wir haben letzte Saison alles auf eine Karte gesetzt und am letzten Spieltag hätten wir sogar noch den Aufstieg in Liga zwei schaffen können. Das hätte ich mit dieser Mannschaft nicht für möglich gehalten und das verdient Respekt. Trainer Uwe Neuhaus hat eine gute Mischung aus Routiniers und ‚Greenhorns’ zu einer Mannschaft reifen lassen, die im Gegensatz zur Vorsaison immer mit Konzentration und Einsatz bei der Sache war.

    Allerdings haben wir viele Spiele nur durch Standards oder Kontertore gewonnen. Und in der Rückrunde gab es nur zwei Heimsiege. Den Aufstieg haben wir ausgerechnet zu Hause verdattelt. Aber der Fakt, dass wir im Stadion an der Alten Försterei bleiben dürfen, in dem wir es selbst sanieren, half über den kurzzeitigen Schmerz hinweg.

    In welchen Bereichen sollte es besser laufen?

    Wirtschaftlich kann man nicht zufrieden sein. Seit Jahren geben wir mehr Geld aus, als wir einnehmen. Das geht an die Substanz. Manchmal frage ich mich, wie lange das noch gut gehen soll. Die Rahmenbedingungen seitens des DFB sind allerdings auch schwierig zu bewältigen. Generell ist es ein Problem, dass die unterklassigen Vereine lieber in Beine investieren als in Strukturen. Aber sie sind auch gefangen im System, denn wie soll man in aller Ruhe etwas aufbauen, wenn man auf Jahre in die Röhre sieht, weil man zum Beispiel den Sprung in die dritte Liga verpasst hat. Es ist ein schmaler Grat. Auf lange Sicht ist das seit 2001 existierende Nachwuchsleistungszentrum unsere einzige Chance, um uns gegenüber anderen Vereinen zu profilieren. Die Aufwendungen für diesen Bereich wurden allerdings zur letzten Saison gekürzt, um mit aller Macht die dritte Liga zu erreichen. Das hat den Verein strukturell um Jahre zurück geworfen.

    Sportlich haben wir zu wenig Spieler mit Potenzial, Spieler die fußballerisch gut genug sind, um moderne Spielsysteme wirklich optimal durchzuziehen. Deshalb landen wir oft wieder bei einer Dreierabwehr oder Ähnlichem. Technische und läuferische Mängel sind bei Spielern, im Gegensatz zu konditionellen und psychischen Schwächen, schwer abzustellen. Langfristig fehlt mir daher der Glaube an eine moderne und erfolgreiche Spielkultur bei Union, die uns von anderen Vereinen unserer Größenordnung abgrenzen könnte.

    Jetzt wo wir die dritte Liga geschafft haben, hoffe ich, dass wir – spätestens wenn das Stadion fertig ist - einen Konsolidierungsprozess einleiten können. Und mit eigenen Talenten wie Adrian Antunovic oder Steven Jahn kommt dann vielleicht auch wieder die Erkenntnis, dass in den Nachwuchs wieder mehr investiert werden muss.

    Was waren die schönsten und welches die erschütternsten Erlebnisse mit deinem Verein und anderen Fans?

    Das Relegationsspiel zur zweiten Liga am Himmelfahrtstag 2000 in Osnabrück. Wir verpassten den Aufstieg erst im Elfmeterschießen, als sich nur noch die beiden Torhüter gegenüber standen. Das war bitter. Unter dem Dach der Bremer Brücke entfalteten die Unionfans allerdings eine Stimmung, die ich so nie wieder erlebt habe. Bewegend war natürlich auch unser erster Auftritt im Europapokal in Valkeakoski (Finnland).

    Was macht Dich zu einem echten Fußball-Fan, wie siehst Du andere Fans?

    Komische Frage. Ich bilde mir nichts drauf ein, Fußballfan zu sein. Ich bin es einfach und ich hänge das nicht an die große Glocke. Ich muss mich nicht mit Schals behängen, um meine Hingabe zu äußern. Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht an meinen Verein denke. Ich gebe aus der Ferne (Offenbach) alles, was ich kann. Ich bin Mitglied im Förderverein der Nachwuchsabteilung und versuche mich da, wo ich es kann, sinnvoll einzubringen. Aber Fußball macht auch ein bisschen dumm. Ich ertappe mich immer wieder dabei, die Verbandsligaergebnisse den Nachrichten vorzuziehen.

    In den letzten Jahren kam im Fußball immer wieder das Thema ‚Gewalt und Rassismus’ auf. Wie sind Deine Erfahrungen zum Thema und wie siehst Du die Probleme zwischen Fans und Ordnungskräften?

    Direkt an der Alten Försterei kann ich mich an keine großen Vorfälle erinnern. 1995 kam es beim ersten Aufeinandertreffen mit Dynamo nach der Wende in Dresden zu Krawallen. In Dresden habe ich auch später die schlechtesten Erfahrungen gemacht. Wenn Flaschen auf schutzlose Menschen geschmissen werden, hört der Spaß eben auf.

    Rassismus ist ein Problem, das uns alle betrifft. Ich erlebe immer noch viel zu selten Zivilcourage. Unionfans bezeichnen sich als unpolitisch und das sind sie eigentlich auch. Manche denken aber, dass sie sich deshalb auch politisch unkorrekt verhalten dürfen.

    Ein weiteres aktuelles Thema ist kommerzielle Entwicklung des Sports, wie stehst Du dazu?

    Wir Fans haben den Fußball groß gemacht. Jetzt werden wir scheinbar nicht mehr gebraucht. Da bekommt Babelsberg letzte Saison eine Geldstrafe vom DFB, weil sie Kassenrollen aufs Feld geworfen haben… ich fasse es nicht. Der gemeine Fan erwirtschaftet schlichtweg zu wenig Profit. TV, Werbung und VIPs sind die Hochertragsbringer und danach richtet sich alles aus. Wir alle wissen, wo das endet und das ist eine Spirale, die nicht mehr aufzuhalten ist.

    Bist Du von anderen Fangruppen beeindruckt – wenn ja, von welchen und warum?

    Für mich gibt es eigentlich nur Union. Unsere Auftritte am Millerntor haben immer sehr viel Spaß gemacht. Der FC St. Pauli hat es geschafft, erfolgreich eine Nische zu besetzen. Von deren Marketing können wir uns eine Scheibe abschneiden, aber damit meine ich nicht, sie zu kopieren. Wenn Fans sich ausgründen, weil sie sich nicht kaufen lassen wollen – wie beim FC United of Manchester – verdient das Respekt.

    Melde Dich noch heute auf unserer Seite an und diskutiere mit!!

    Geschrieben von:  Stephan R.T.

Kommentare

    Kommentar schreiben

     

    Copyright 2007  Die Fans Media GmbH

    Diese Website nutzt Cookies. Durch die Nutzung unserer Website stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Mehr Infos: Hier erfahrt ihr alles zum Datenschutz.