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  • Tennis Borussia, 23. Januar 2008

    „Ich habe keine Angst auf dem Platz“


    Von:  Anne80

    Andreas Biermann musste in seiner Sportlerkarriere schon einige Rückschläge hinnehmen. Verletzungen ließen ihn den Anschluss an den Bundesligakader von Hertha BSC verlieren. Danach verfehlte er aufgrund falscher Versprechen, den Aufstieg in die zweite Bundesliga mit dem FC St. Pauli. Der sportlich viel versprechenden Karriere standen immer wieder Hindernisse im Weg, die den Linksbahn-Spezialisten um weite Strecken zurück warfen. Der 27-Jährige zeigt dabei nicht nur im Fußballerischen Talent, sondern auch darin, trotz dieser herben Rückschläge nicht verbittert, sondern optimistisch in die Zukunft zu sehen. Enttäuscht und verärgert ist der frisch gebackene Vater dabei eigentlich nur über eine oberflächliche Presse, die an Hintergründen wenig interessiert ist und der so viele Sportler machtlos gegenüber stehen.

    Im ersten Teil unseres Interviews berichtet Biermann wie er zum Fußball gekommen ist, wie Verletzungen seinen Traum von der ersten Bundesliga platzen ließen und ihn vorübergehend zum Sportinvaliden machten, aber auch über seine bisherigen Vereinsstationen, seine plötzliche Genesung und berufliche Alternativen.

    Herr Biermann, Sie begannen Ihre Karriere beim SC Schwarz-Weiß Spandau. Wie sind Sie in ihrer Kindheit zum Fußball gekommen und haben Sie noch Kontakt zum Ihrem alten Jugendverein?

    Ich bin damals durch meinen Vater zum Fußball gekommen, so wie fast jeder Fußballer heutzutage. Weil er selbst Fußballer war und heute noch Schiedsrichter ist, hat er mich immer mit zum Spiel genommen, wenn er eins hatte. Ich habe seit ich fünf, sechs Jahre alt war, nebenbei ein bisschen gekickt und mich dann sofort im Verein angemeldet. Das war dann bei Schwarz-Weiß Spandau und seit dem bin ich dann beim Fußball geblieben. Kontakt habe ich mit dem Verein heute nicht mehr, aber ich verfolge noch ein bisschen in den Zeitungen, wie sie abschneiden, ob sie gewonnen oder verloren haben.

    In Ihrer Zeit bei Hertha BSC schafften Sie es bis in den Anschlusskader der Bundesligamannschaft und spielten bei der Reserve in der Regionalliga. Doch dann warf Sie eine schwere Verletzung zurück, die Sie ein halbes Jahr aussetzen ließ und Sie so den Anschluss an den Bundesligakader verloren. Fragen Sie sich manchmal, wie Ihre Karriere bis hierhin ohne diese schweren Verletzungen verlaufen wäre und Sie für Hertha vielleicht sogar in der Bundesliga gespielt hätten?

    Das fragt man sich, wenn man die Verletzung gerade hat, aber jetzt im Nachhinein nicht mehr. Man muss die Sachen so akzeptieren, wie sie passieren oder gelaufen sind. Ich war ja nicht nur einmal ein halbes Jahr, sondern wegen meiner Schulter dreimal ein halbes Jahr weg. Aber sicher habe ich mich das gerade in der Zeit, wo ich verletzt war, gefragt.

    Besonders wenn man dann Spieler wie Olli Schröder, Thorben Marx oder Benni Köhler sieht, die damals mit mir zusammen gespielt haben, als wir alle zusammen in einer Mannschaft waren. Wir hatten ja alle ein Level, aber die spielen jetzt alle in der Bundesliga. Es fällt einem dann schon manchmal ein bisschen schwer, da zuzugucken und sich mitzufreuen, wenn die ein Tor schießen, weil es ja immer auch der Lebenstraum von einem selbst war, in der Bundesliga zu spielen. Sicherlich fragt man sich ab und zu, ob man es geschafft hätte oder irgendwo ist man schon der Meinung, man hätte es geschafft. Aber man kann die Sache nicht mehr ändern und muss halt das Beste aus der jetzigen Situation machen.

    Bevor Sie in Chemnitz kickten, wechselten Sie von Herthas Amateuren zum SC Göttingen 05, um in der Regionalliga zu spielen. Da Göttingen aber die Lizenz nicht erhielt, mussten Sie mit der Oberliga vorlieb nehmen. Später erhielten Sie dann vier Monate lang Ihr Gehalt nicht, kündigten Ihren Vertrag und entschieden sich für das Angebot der Chemnitzer. Haben Sie Ihren Wechsel damals zu Göttingen bereut und warum wechselten sie nach Chemnitz, obwohl auch höherklassige Vereine wie die SpVgg. Unterhaching und FC St. Pauli angefragt hatten?

    Der Grund für meinen Wechsel nach Göttingen war meine Schulterverletzung. Der Vertrag mit Hertha wurde nicht verlängert und da musste ich sehen wo ich eine sportliche Perspektive hatte, um spielen zu können. Das ist ja das Wichtigste. Ich war damals noch jung, ich glaube zwanzig, und da ist halt das Wichtigste, dass man Spielpraxis bekommt. Den Trainer von Göttingen 05 kannte ich sehr gut und er versicherte mir, dort spielen zu können. Andere Spieler, die jetzt bei TeBe sind, wie zum Beispiel Michael Fuß, waren damals auch bei Göttingen 05 und so kannte ich ein paar Spieler aus Berliner Zeiten. Deshalb bin ich damals nach Göttingen gegangen und habe das auch im Nachhinein nicht bereut. Es hat dort sehr viel Spaß gemacht und wir waren ja in der Zeit, in der wir gespielt haben, auch sehr erfolgreich. Es war aufgrund der Insolvenz zwar leider keine sehr lange Zeit, aber es hat Spaß gemacht.

    Ich bin dann nach Chemnitz gegangen, weil jemand aus Chemnitz öfter mal bei Göttingen zugeschaut hat. Die suchten einen Linksfüßer für die linke Bahn und hatten gehört, dass ich ganz gute Spiele mache. Dann hat mich nach dem Spiel mal jemand angesprochen.

    Von Unterhaching und St. Pauli hatte ich keine konkreten Angebote. Im Fußball ist das ja immer so, dass hier und da mal was geschrieben wird. Für mich war es wie gesagt, immer wichtig - ich war ja zu dem Zeitpunkt dann zwanzigeinhalb - spielen zu können. Ich habe in Chemnitz die Zusage bekommen, dass ich auch Regionalliga spielen werde und nicht bloß auf der Bank sitze. Das war mir das Wichtigste und deshalb brauchte ich da auch nicht lange überlegen. Das Risiko in der zweiten Liga bei Unterhaching oder Fürth, was da so zwischendurch mal im Raum stand, wäre gewesen, dass ich gar nicht spiele.

    Als Sie bei Neuruppin wieder erfolgreich Fußball spielten, war man bei Ihrem vorherigen Verein sehr erstaunt. Denn nach Ihrer lang andauernden Knieverletzung wurde von Seiten des Chemnitzer FCs im April 2004 Ihr Karriere-Ende bekannt gegeben und Sie wechselten im Winter 2005 zum MSV, wo Sie zuerst nur als Co-Trainer vorgesehen waren. Glauben Sie, dass Sie in Chemnitz schon zu früh als Spieler abgeschrieben wurden oder war Ihre Einstufung als Sportinvalide zum damaligen Zeitpunkt richtig?

    Nein, die Einstufung war definitiv nicht falsch. In der Zeit als ich in Chemnitz war, war das Knie definitiv nicht belastbar. Wir haben es ja manchmal probiert und es war schon bei lockerem Jogging so, dass das Knie dick wurde und danach wieder punktiert werden musste. Es war überhaupt nicht belastbar. Als meine Zeit in Chemnitz vorbei war, hatte ich in der Nähe von Berlin einen Arzt kennen gelernt. Er hatte mir in Aussicht gestellt, das alles noch einmal zu untersuchen. Er hatte mir angeboten, so eine Art Test-OP zu machen, wo er noch mal was probiert und hinterher eine Spritzen-Kur mit Hualuronsäure. Danach ging es tatsächlich wieder Berg auf. Aber es war wirklich einfach nur ein Versuch gewesen und das konnten wir zu Chemnitzer Zeiten noch nicht wissen. In Neuruppin war es so, dass wir das halt probiert haben und dann konnte ich einmal die Woche ohne Schmerzen mittrainieren. Dann haben wir es langsam gesteigert und später konnte ich dann tatsächlich wieder ein komplettes Trainingsprogramm ohne Probleme machen.

    Beim MSV waren Sie zu Beginn nicht nur als Spieler auf dem Platz, sondern auch als Schreiers Co-Trainer tätig. Wie war die Arbeit als Co-Trainer und können Sie sich vorstellen, dem Fußball in so einem Amt nach dem Karriere-Ende treu zubleiben?

    Ja, definitiv. Das Problem war ja, dass ich in meiner Chemnitzer Zeit, meine zweite schwere Verletzung erlitten habe. Ich hatte einen normalen Meniskusriss, was eigentlich eine Sache ist, bei der man nach zwei, drei Wochen wieder auf dem Platz steht. Aber bei der Arthroskopie kamen Bakterien ins Knie und dadurch war es nicht mehr belastbar. So wurde ich Sportinvalide. Deshalb bin ich als Co-Trainer nach Neuruppin gegangen. Ich kannte auch den Trainer, Christian Schreier, sehr gut. Der hat mir dieses Angebot gemacht, damit ich aus dem Fußball nicht so ganz rausrutsche. Es ist ja immer schwer, wenn man sein ganzes Leben lang Fußballer war und dann plötzlich nicht mehr spielen darf. Da muss man erstmal was finden, um wieder ins normale Leben rein zu kommen. Dann hat er mir das Angebot gemacht als Co-Trainer zu arbeiten. Das hat mir Riesenspaß gemacht, weil die Mannschaft mich damals sehr gut aufgenommen hat. Die wussten alle, was mit meinem Knie passiert war und warum ich das mache. Ich werde auf jeden Fall während meiner Fußballzeit noch Trainerscheine machen und möchte später auf jeden Fall Trainer werden. Das hat mir so einen Spaß gemacht, das steht für mich definitiv schon fest.


    Andreas Biermann im Gespräch mit die-fans.de.

    Während dieser Zeit war zu lesen, dass Sie sich auf ein Medizinstudium vorbereiten. Ist das jetzt gar nicht mehr interessant für Sie?

    Ein Studium werde ich definitiv im April anfangen, aber nicht mehr Medizin. Daran bin ich nicht mehr so interessiert. Ich hatte zwischendurch auch mal überlegt, weil ich eigentlich ein ganz gutes Abi habe, ob ich Jura studiere. Aber das ist nichts, was mir auf Dauer gefallen würde. Deshalb beginne ich im April mit einem Studium, das sich BWL mit Sportmanagement nennt. Das ist dann wieder ein bisschen fußballbezogen. Man geht bei diesem Studiengang immer drei Monate in die Uni und macht drei Monate Praktikum im Betrieb oder im Verein. Das nennt sich duales System und das werde ich dann erstmal machen. Ich möchte später auf jeden Fall mal sportbezogen arbeiten.

    Wenn sie aufgrund der schweren Verletzungen schon den Status eines Sportinvaliden hatten, haben Sie dann nicht öfter Angst vor Zweikämpfen und den Folgen einer weiteren Verletzung?

    Nein. Daran denkt man nicht, wenn man auf dem Platz steht. Es ist einfach schön, überhaupt wieder auf dem Platz zu stehen. Daran habe ich ja auch schon gar nicht mehr geglaubt. In der Zeit, in der ich verletzt war, dachte ich ‚Fußball ist nicht mehr!’ Ich muss mir etwas anderes suchen. Aber jetzt, wo es wieder geht, weiß man erst richtig zu schätzen, wie schön es eigentlich ist, Fußball zu spielen, damit ein bisschen Geld zu verdienen und Erfolge mit der Mannschaft zu feiern. Es ist eben so, dass einem die meisten Sachen erst auffallen, wenn man sie nicht mehr hat. Dafür koste ich jetzt jeden Tag umso mehr aus, indem ich Fußball spielen darf. Aber Angst auf dem Platz habe ich keine.

    Zum zweiten Teil des Interviews

    Geschrieben von:  Anne80

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