Die-Fans.de

Stadien, Fans und Leidenschaft - Regionaler Fußball pur

Du bist hier:  Nordost | Startseite » Aktuell » Artikel
Erlebnis Fußball 89 – 192 vollfarbige Seiten mit den Themen aus den Fankurven
u.a. mit Investoren und Protest, Kurvenlieder und ihre Geschichten sowie 50 Jahre Ultras Viola
  • FC Schönberg 95, 02. Juli 2008

     

    „Die gerade beendete Saison lief einfach nur sensationell“


    Von:  Stephan R.T.

    Jens Upahl, der in unserem Forum praktischerweise als ‚Jens’ unterwegs ist, gehörte einst zu den ersten Usern unserer Seite und ist im Grunde auch nicht mehr wegzudenken. Der 45-jährige Hobby-Fotograf und Fan des FC Schönberg 95 ist vor allem für seine ehrlichen und objektiven Beiträge sowie seine sensationellen Fotos bekannt. Daher war es dann auch einfach mal an der Zeit, ihm etwas auf den Zahn zu fühlen.

    Jens, wie ist Deine Leidenschaft für den Fußball entstanden und wer hat Dich eigentlich zum Fußball gebracht?

    Irgendwann Mitte der 70er nahm mich mein Vater mal mit ins Ostsee-Stadion. Hansa spielte gegen den BFC Dynamo und verlor 1:3. Doch die Atmosphäre im Stadion war trotzdem ziemlich beeindruckend für mich. Es war laut und eng zwischen den Hansa-Fans, aber die bedingungslose Unterstützung der Mannschaft fand ich toll. Die nicht immer druckreifen Parolen der Fans haben mich als wohlerzogenen Knaben vom Lande damals allerdings noch ein wenig irritiert. Dennoch war dieses Spiel wohl ein Schlüsselerlebnis für mich. Insofern dürfte sich mein Einstieg in die Fußballguckerkarriere nicht wesentlich von dem der meisten anderen Fans unterscheiden.

    Für welchen Verein schlägt Dein Herz und warum - was verbindet Dich mit Deinem Verein, wie und wann wurdest Du Fan?

    Inzwischen ist es einzig und allein der FC Schönberg 95, der mich interessiert. Klar schaue ich auch immer, was Hansa und vor allem Werder machen. Aber Schönberg ist mein Heimatverein. Ein ehemaliger Kollege hat es Mitte der 90er Jahre nach unzähligen Überredungsversuchen irgendwann mal geschafft, mich wenn auch widerwillig zum Besuch eines Spiels der TSG Schönberg zu bewegen. Es war die Zeit des großen Aufbruchs in Schönberg und der mit Macht einsetzende Erfolg war es wohl, der mich fortan öfter bei den Heimspielen im Jahn-Stadion sitzen ließ.

    Ich war also zunächst der typische und zu Recht geschmähte Erfolgsfan. Im Laufe der Jahre hat sich mein Verhältnis zum Verein jedoch vom sportlichen Erfolg abgekoppelt. Das Gemeinschaftsgefühl, die familiäre Atmosphäre und die vielen kleinen Helferlein, die ehrenamtlich den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zum Fußballspielen geben, sind es jetzt, die für mich die Seele des FC Schönberg 95 ausmachen. Die erste Männermannschaft, von der ich seit Jahren nach Möglichkeit jedes Spiel sehe, ist als Aushängeschild des Vereins natürlich auch wichtig, aber alle anderen Mannschaften gehören genauso zum Verein und verdienen Beachtung. Ich gehe auch gern mal zur F-Jugend. Deren Begeisterung macht mir ebensoviel Spaß wie die Spiele der ‚Großen’.

    Welche Erinnerung hast Du noch von den ersten Spielen, was war das für Dich damals für ein Erlebnis?

    Bei den ersten Spielen, die ich in Schönberg gesehen habe, stand der Fußball an sich wegen meiner damaligen Überheblichkeit gegenüber dem unterklassigen Gekicke gar nicht so sehr im Mittelpunkt meines Interesses. Schönberg spielte noch in den Liga-Niederungen und so war das Spiel eher eine gute Gelegenheit, sich mit Leuten zu treffen und ein Bierchen zu trinken. Als dann der Ex-Bremer Jonny Otten plötzlich bei uns spielte, wurde man dann doch ein wenig aufmerksamer, denn der war trotz seines Alters einfach sensationell am Ball. Auf jeden Fall kann ich mich gut an die Aufbruchsstimmung erinnern, die Mitte der 90er hier herrschte. Das Tempo, mit dem einerseits die Infrastruktur ausgebaut wurde und andererseits die sportliche Qualität aller Mannschaften wuchs, war atemberaubend.

    Wie zufrieden bist Du mit der aktuellen Leistung Deines Vereins, was lief in dieser Saison gut, was hätte besser klappen können?

    Die gerade beendete Saison lief einfach nur sensationell. Schönberg musste sich nach seinem freiwilligen Rückzug aus der Oberliga den Startplatz in der Verbandsliga erst gegen die Funktionäre des Landesverbandes vor Gericht erkämpfen. Damit konnte erst sehr spät mit dem Neuaufbau der Mannschaft begonnen werden und wie sich diese auf die Schnelle zusammen gewürfelte Mannschaft dann behauptet hat, war so nicht zu erwarten. Im heimischen Jahn-Stadion lief es zwar nicht immer rund, aber auswärts blieben die Jungs ungeschlagen. Krönender Abschluss der Saison war dann die Relegation gegen den 1. FC Lokomotive Leipzig. Abgesehen von der schrecklichen Verletzung unseres Kapitäns Sven Wittfot, die uns letztendlich wohl den Aufstieg gekostet hat, waren beide Spiele einfach nur geil und ein riesiges Erlebnis. Insbesondere unser Auftritt im Zentralstadion steht auf meiner Liste der größten und schönsten Spiele meiner Schönberger ziemlich weit oben.


    Jens Upahl übermittelt Information vom Pokalspiel in Neustrelitz an die Daheimgebliebenen.

    Wie soll es in der nächsten Saison weitergehen, was erwartest Du von Deinem Verein und in welchen Bereichen sollte es besser laufen?

    ‚Erwarten’ ist vielleicht nicht das richtige Wort – es klingt mir zu fordernd und das ist nicht meine Art. Ich hoffe, dass der Verein weiter so lebendig bleibt, wie er jetzt ist. Dass man am Wochenende auf den Platz gehen kann, dort gute Freunde trifft und nebenbei eine unserer Mannschaften spielen sehen kann. Dann freue ich mich natürlich darauf, mit der Verbandsligamannschaft wieder durch Mecklenburg-Vorpommern zu tingeln. Möglichst erfolgreich natürlich, aber wenn die Mannschaft sich so wie in der letzten Saison reinhängt, bin ich schon zufrieden. Ich bin da alles in allem ziemlich genügsam und auch mal mit der Situation so zufrieden, wie sie ist.

    Was waren die schönsten und welches die erschütterndsten Erlebnisse mit Deinem Verein und anderen Fans?

    Meine persönliche Liste der schönen Erlebnisse ist glücklicherweise deutlich länger. So richtig geärgert habe ich mich eigentlich nur über unseren ersten Abstieg aus der Oberliga. Vor allem, weil Union damals in die Oberliga absteigen musste und ich für mein Leben gern mit meinen Jungs zum Pflichtspiel in die Alte Försterei gefahren wäre. Es gab dann vor zwei Jahren noch eine saublöde Pokalniederlage bei den Hansa Amateuren. Wir führten nach sensationellem Spiel kurz vor Schluss 0:2 und schieden trotzdem in der Verlängerung aus. Das hat mich auch mächtig gewurmt.

    Aber ansonsten hatten wir hier in unserem ‚Dorf’ unglaubliche Highlights. An die elendig lange Relegations-Tour nach Erfurt erinnere ich mich immer wieder gern und auch die Relegationsspiele gegen Sachsen Leipzig im AKS und Lok Leipzig im Zentralstadion waren toll. Wir waren sechs Mal in Folge Landespokalsieger und durften die erste Runde im DFB-Pokal dank eines unglaublichen Losglücks gleich fünf Mal gegen Bundesligisten bestreiten. Die Bayern in Schönberg vor 16.000 Zuschauern, eine 2:0-Halbzeitführung gegen den VfB Stuttgart – es war ein absoluter Traum. Auch der Oberligameistertitel im Jahre 2003, den wir in einem echten Endspiel gegen die Hertha Amateure holten, ist für mich unvergessen. Da haben wir sogar mal selbst mit unseren Fans für eine Gänsehautatmosphäre sorgen können.

    Was macht Dich zu einem echten Fußball-Fan, wie siehst Du andere Fans?

    In den Augen vieler Fußball-Fans gehe ich wahrscheinlich noch nicht mal als echter Fußball-Fan durch und werde bestimmt als Schal-Träger belächelt – vielleicht sogar zu Recht. Ich bin beruflich relativ gut beansprucht und deswegen ist der Fußball für mich im Moment einfach eine gute Gelegenheit, an einem Tag in der Woche mal etwas ganz anderes zu tun und auf andere Gedanken zu kommen. Dazu kann ich meinem Hobby Fotografie so richtig freien Lauf lassen. Durch meine verstärkte Arbeit für die Presse, die mir allerdings hilft, die Auswärtstouren und die Fotoausrüstung zu finanzieren, kommt jedoch in letzter Zeit ein wenig das zu kurz, was für mich auch einen gelungenen Fußballnachmittag ausmacht: die Schwatzereien mit anderen Fans, Journalistenkollegen oder Verantwortlichen des Gegners. Im Laufe der Jahre habe ich überall viele interessante Leute kennengelernt, die man immer wieder gern trifft. Insofern bin ich praktisch auch ein Fan von anderen Fans. (lacht) Es immer wieder spannend zu hören, wie man sich woanders für seinen Verein einsetzt und was manche Leute so alles für den Fußball auf sich nehmen.

    In den letzten Jahren kam im Fußball immer wieder das Thema ‚Gewalt und Rassismus’ auf. Wie sind Deine Erfahrungen zum Thema und wie siehst Du die Probleme zwischen Fans und Ordnungskräften?

    Rassismus ist einfach nur abscheulich und für mich wirklich nur mit grenzenloser Dummheit zu erklären. Deswegen bin ich heilfroh, dass er hier bei uns in Schönberg überhaupt kein Thema ist. Unsere Erste war in den letzten Jahren immer eine Mannschaft mit Spielern aus aller Herren Länder und das habe ich immer als Bereicherung empfunden. Man lernt fremde Kulturen kennen und erweitert so seinen eigenen Horizont. Auch unsere Nachwuchsmannschaften werden mit Spielern aus vielen Nationen groß und das gefällt mir.

    Etwas komplizierter wird es beim Thema Gewalt. Vielleicht nur soviel: Die ganzen kindischen Diskussionen, welcher Polizist denn nun welchen Fan mit seiner bloßen Anwesenheit provoziert hat oder umgekehrt und wer denn nun ganz doll böse angefangen hat, kann ich nicht mehr hören – ich finde sie einfach nur noch lächerlich. Das Schlimme daran ist, dass am Ende die Vereine immer neue Sicherheitsauflagen teuer bezahlen müssen und diese Kosten nur schwer refinanzieren können. Auch weil viele potentielle Zuschauer aus Angst nicht mehr kommen. Ich fände gut, wenn mehr Leute diesen Zusammenhang erkennen würden und beim Spiel auf den Nachbarn achten, ob dieser seinem Verein ob bewusst oder unbewusst Schaden zufügen will.

    Ein weiteres aktuelles Thema ist kommerzielle Entwicklung des Sports, wie stehst Du dazu?

    Ohne Moos nix los sagt man ja immer so schön. Geld ist dringend notwendig, um den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Mich stört jedoch die Verschiebung in Richtung der großen Profi-Clubs ganz gewaltig. Dem Fußball wird so die Basis entzogen und das kann auf Dauer vor allem mit Blick auf die Talentförderung einfach nicht gut gehen. Deswegen bin ich inzwischen ganz bewusst so eine Art Bundesligatotalverweigerer. Premiere habe ich bereits vor Jahren gekündigt – mein Fußball findet live statt und dies in der sechsten Liga. Es ist sicher nicht der ganz große Sport, aber trotzdem unterhaltsam und zumeist ebenso spannend. Außerdem: Meine Stars kennen mich alle persönlich und grüßen immer freundlich. (lacht)

    Bist Du von anderen Fangruppen beeindruckt – wenn ja, von welchen und warum?

    Ich war vor ein paar Jahren mal in der Alten Försterei. Es ging gegen Oberhausen und der 2:2-Ausgleich kurz vor Schluss bedeutete praktisch den Abstieg für Union. Ungefähr eine Minute war Totenstille und dann wurde die Mannschaft wieder lautstark und fanatisch unterstützt. Nach dem Spiel ging kaum einer, bevor die Mannschaft nicht komplett den Platz verlassen hatte. Dies und die Atmosphäre während des gesamten Spiels haben mich ziemlich beeindruckt.

    Aber auch unsere Relegationen gegen die beiden Leipziger Mannschaften waren insbesondere wegen der reisefreudigen Fans ein Erlebnis. Bei uns in Schönberg haben sie für eine tolle und vor allem friedliche Kulisse gesorgt und in Leipzig boten die Sachsen mit ihrer Choreo im AKS hinter dem Tor einen phantastischen Anblick. Und die Lokisten haben mit ihrer Stimmgewalt überzeugt. Ich saß im Rückspiel in der ersten Halbzeit direkt vor ihrem Fan-Block und konnte mein eigenes Wort nicht verstehen. Fußball kann wirklich sehr schön sein, auch wegen der Fans.

    Melde Dich noch heute auf unserer Seite an und diskutiere mit!!

    Geschrieben von:  Stephan R.T.

Kommentare

    Kommentar schreiben

     

    Copyright 2007  Die Fans Media GmbH

    Diese Website nutzt Cookies. Durch die Nutzung unserer Website stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Mehr Infos: Hier erfahrt ihr alles zum Datenschutz.