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  • AG Fananwälte, 24. Oktober 2012

     

    Stellungnahme zum Maßnahmenkatalog ‚Sicheres Stadionerlebnis‘ der Kommission Sicherheit der DFL


    Von:  Stephan R.T.

    Die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte hält den von der DFL vorgelegten Maßnahmenkatalog ‚Sicheres Stadionerlebnis‘ in weiten Teilen für rechtswidrig. In einer rechtlichen Stellungnahme legt die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte ihre Bedenken dar.

    Nicht nur der verpflichtende Abschluss von sogenannte ‚Fanvereinbarungen‘ mit der sich daran anknüpfenden Möglichkeit einer kollektiven Bestrafung ganzer Fangruppen, sondern auch die Einführung von Geld- oder Vertragsstrafen gegen Fans bei Verstößen gegen die Stadionordnung ist aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte rechtswidrig.

    Die angedachte Verschärfung der sog. Stadionverbotsrichtlinie mit u.a. einer Ausdehnung der Höchstlaufzeit auf fünf Jahre stellt sich in der Praxis als rechtlich unzulässiges Instrument mit Strafcharakter dar und ist außerdem unverhältnismäßig. „Gerade bei jungen Menschen bedarf die Prognose einer künftigen Gefährlichkeit für die Sicherheit des Stadionbetriebs einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Betroffenen. Eine solche Prognose auf fünf Jahre hinaus abgeben zu wollen ist Hellseherei“, so Rechtsanwältin Angela Furmaniak von der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte.

    Besonders bedenklich ist die von der Kommission Sicherheit geforderte Ausweitung der Weitergabe von personenbezogenen Daten durch die Polizei an die Vereine. Schon jetzt gibt es keine Rechtsgrundlage für die bereits praktizierte Datenweitergabe im Zusammenhang mit Stadionverboten. „Die von der DFL geforderte Ausweitung der Datenweitergabe wäre ein klarer Rechtsbruch. Dieser Ansatz lässt polizeistaatliche Phantasien erkennen“, so Rechtsanwalt Marco Noli von der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte. „Die Forderung nach einer unbefugten Weitergabe von Daten durch die Polizei kann möglicherweise sogar den Straftatbestand der Aufforderung zu Straftaten erfüllen. Die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte wird nun die bestehende Praxis und die geplanten neuen Maßnahmen durch förmliche Eingaben bei den Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern beurteilen lassen“, so Marco Noli weiter.

    Auch die vorgeschlagenen Vollkörperkontrollen an den Stadioneingängen durch private Sicherheitsdienste sind unverhältnismäßig und wegen des erheblichen Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Fans rechtlich nicht zulässig.

    Wenn die DFL von der Justiz fordert, Strafverfahren künftig ‚konsequent und schnell‘ durchzuführen und durch eine ‚sofortige Ermittlung von Tatverdächtigen‘ zur Abschreckung beizutragen, so verkennt sie die tatsächlichen Verhältnisse und unterstellt der Justiz, Täter nicht zu ermitteln. Tatsächlich sind bei Straftaten mit Fußballbezug nach den Erfahrungen der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte ein erhöhter Ermittlungsaufwand sowie überdurchschnittliche Strafhöhen festzustellen.

    Das von der DFL vorgelegte Maßnahmenpapier zeugt insgesamt von einem sehr bedenklichen rechtsstaatlichen Verständnis und stellt in vielerlei Hinsicht rechtswidrige und unverhältnismäßige Forderungen auf.

    Umso begrüßenswerter ist es, dass nun innerhalb der DFL und der Vereine eine sachorientierte Diskussion in Gang gekommen ist, die weitergeführt werden muss. Nur mit einem fairen Dialog kann es gute Lösungen geben. Dieser positive Prozess wird jedoch bereits jetzt schon wieder durch polemische und unsachliche Äußerungen von Innenpolitikern und den Polizeigewerkschaften gestört, die ohne vernünftige Argumente versuchen, Druck auf die Vereine und die Verbände auszuüben. Daher erscheint es zweifelhaft, ob diese überhaupt an einer gemeinsamen Lösung interessiert sind, oder nicht vielmehr ganz andere Interessen verfolgen.

    Rechtliche Stellungnahme zum Diskussions-Papier ‚Sicheres Stadionerlebnis‘ der DFL

    Das von der ‚Kommission Sicherheit‘ der DFL entworfene Papier schlägt eine erhebliche Erweiterung von einschneidenden Maßnahmen gegen Vereine und Fußballfans vor, die mit der bestehenden Rechtslage nicht im Einklang stehen. Insbesondere soll offenbar so etwas wie ein eigenständiges ‚Sonderrecht der Fußballverbände‘ geschaffen werden, das mit den ansonsten herrschenden Grundsätzen unserer Rechtsordnung kaum vereinbar ist. Insbesondere dort, wo das Papier mit den Instrumenten einer Kollektivstrafe/Kollektivschuld Maßnahmen gegen ganze Personengruppen rechtfertigen will, muss der Verband daran erinnert werden, dass die Grundrechte nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch in die privatrechtlichen Beziehungen zwischen nichtstaatlichen Stellen – hier: die rechtlichen Beziehungen der Vereine zu ihren Zuschauern und Fans – mittelbar hineinwirken und zu beachten sind. Bereits die jetzige Praxis der Verbandsstrafen gegen Vereine ist wegen Verstoßes gegen das Schuldprinzip (‚Bestrafung ohne Schuld‘) rechtlich höchst zweifelhaft.

    Die genannten Maßnahmen sind nicht nur rechtswidrig und unverhältnismäßig, sondern das Papier enthält keine Erklärung, weshalb derartige Eingriffe in Rechte anderer überhaupt notwendig sein sollen. So geht auch die ‚Kommission Sicherheit‘ der DFL davon aus, dass sich die Sicherheit in deutschen Stadien „bereits heute auf höchstem Niveau“ bewegt (S.5 zweiter Absatz des DFL-Papiers). „Ziel ist es, das Stadionerlebnis sowohl in der subjektiven Wahrnehmung als auch in der objektiven Beurteilung weiterhin sicher zu gestalten.“ (S.5 letzter Absatz des DFL-Papiers). An anderer Stelle wird von „Optimierung“ gesprochen (S.5 dritter Absatz des DFL-Papiers). Die Motivation des Papiers ist also, die Stadien „weiterhin sicher“ zu gestalten. Weshalb dies mit den bisherigen Maßnahmen nicht möglich sein soll, erschließt sich aus dem Papier nicht. Einen Hinweis darauf gibt jedoch die Unterscheidung zwischen „subjektiver Wahrnehmung“ und „objektiver Beurteilung“, also letztendlich zwischen medialer Berichterstattung und tatsächlichen Fakten. Dass es diesbezüglich in einem Teil der öffentlichen Berichterstattung ein verzerrtes Bild der Realität gibt, wird nun also auch von der DFL ausdrücklich bestätigt. Damit wird allerdings klar, dass die Notwendigkeit der geforderten Maßnahmen nicht in einer Erhöhung der Sicherheit, sondern in deren „subjektiver Wahrnehmung“ gesehen wird.

    Darunter könnte man zwar auch das „Sicherheitsgefühl“ der Stadionbesucher verstehen. Einschneidende Maßnahmen, die letztlich nur das „Sicherheitsgefühl“ erhöhen sollen, sind aber schon aus diesem Grund unverhältnismäßig und rechtswidrig. Im Übrigen gibt es keinerlei Belege dafür, dass sich Stadionbesucher im Stadion nicht sicher fühlen würden. Die Entwicklung der Zuschauerzahlen spricht für das Gegenteil. In den letzen 10 Jahren sind die Zuschauerzahlen der obersten beiden Profi-Ligen (1. und 2. Bundesliga) um sechs Mio. Besucher auf ca. 17,5 Mio. angestiegen (Steigerung um über 50 %). Im internationalen Vergleich ist die erste Bundesliga in Deutschland (Zuschauer-Schnitt 2011/12: 44.293) mit großem Abstand vor der Premier League in England (Zuschauer-Schnitt 2011/12: 34.601) Spitzenreiter und damit die zuschauerstärkste Fußballliga der Welt.

    Daher liegt der Verdacht nahe, dass die DFL mit „subjektiver Wahrnehmung“ eigentlich die öffentliche Berichterstattung meint, die wiederum von öffentlichen Verlautbarungen von Innenpolitikern und Vertretern der Polizeigewerkschaften stark beeinflusst wird.

    Zu den Vorschlägen des DFL-Papiers im Einzelnen:

    1. Fanvereinbarungen (Kollektivschuld)

    Die Klubs sollen verpflichtet werden, „Vereinbarungen/ Chartas“ mit Fanorganisationen, Fanclubs etc. abzuschließen. Diese Fanvereinbarungen sollen mindestens ein Bekenntnis zu Gewaltfreiheit, die Anerkennung der bestehenden Vorschriften inkl. Pyro- Verbot und ein Bekenntnis gegen Diskriminierung und Rassismus enthalten.

    Diese „Fanvereinbarung“ soll offensichtlich über eine bloße Absichtserklärung hinausgehen und konkrete Konsequenzen hervorrufen können, wenn die Inhalte nicht eingehalten werden oder die Vereinbarung nicht unterschrieben wird (S. 15 des DFL-Papiers). Dabei sollen diese Konsequenzen offensichtlich alle Personen einer Gruppe treffen, unabhängig vom individuellen Verhalten und der Schuld des Einzelnen. Eine solche Kollektivschuld sieht jedoch die deutsche Rechtsordnung nicht vor. Derartige Vereinbarungen stehen schon daher mit der Rechtsordnung nicht im Einklang und wären daher rechtlich unwirksam.

    Darüber hinaus bleibt völlig unklar, wie sich die DFL das Funktionieren einer solchen rechtlichen Konstruktion überhaupt vorstellt, wer Vertragspartner sein soll und wie die Rechtswirkungen auf Einzelne überhaupt entfaltet werden können.

    2. Verbandsstrafen mit Wirkung für Fans (Kollektivstrafen)

    Laut dem DFL-Papier (vgl. S.26) soll der Handlungsspielraum des DFB-Sportgerichts und damit die Anwendung von sog. Verbandsstrafen gegen Vereine erweitert werden.

    Das System der Verbandsstrafen im Rahmen der DFB-Sportgerichtsbarkeit begegnet schon grundsätzlichen rechtlichen Bedenken. Das Monopol der Strafgewalt besitzt eigentlich der Staat. Verbandsstrafen gegen Vereine werden verschuldensunabhängig ausgesprochen, was gegen das Schuldprinzip verstößt.

    Das Verbandsgericht (DFB-Sportgericht) kann Rechtswirkung auf die Klubs entfalten, weil die Klubs sich der DFB-Satzung (Rechts- und Verfahrensordnung, RuVO) unterwerfen. Die Vereine werden demnach vom DFB für das Verhalten ihrer Fans sanktioniert, selbst wenn den Klubs ein Verschulden - etwa weil die Kontrollen an den Eingängen des Stadions nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde - nicht nachzuweisen oder vorzuwerfen ist. Die Vereine können also verschuldensunabhängig bestraft werden, was dem Schuldprinzip und elementaren Grundsätzen des deutschen Rechts widerspricht. Aber zumindest der internationale Sportgerichtshof CAS billigt dies (vgl. CAS-Schiedsspruch v. 20.04.2007, CAS 2007/A/1217 - Feyenoord Rotterdam/UEFA). Allerdings wird diese „Bestrafung ohne Schuld“ in der juristischen Fachliteratur – zu Recht – kritisiert (vgl. Orth, Gefährdungshaftung für Anhänger?, SpuRt2009, 10-13), weil eine verschuldensunabhängige Haftung systemwidrig ist.

    Ziel der Verbandsstrafe soll es eigentlich sein, den Verein zu bestrafen und nicht die Fans (so sieht es auch das Landesgericht Wien, Urteil vom 25.01.2011, Az.: 34 R 163/10p). Allenfalls hierfür besteht eine Legitimation. Viele der vom Sportgericht ausgesprochenen Strafen treffen aber nicht nur den jeweiligen Klub, sondern auch die Fans, wie Teilausschlüsse von Zuschauern, Stehplatzverbote etc. Diese Sanktionen wirken daher über die Konstruktion der Verbandsstrafe unmittelbar und kollektiv auf die Fans, obwohl keinerlei Vertragsbeziehung des Verbandes mit dem Fan besteht und selbst wenn den einzelnen Fans keinerlei individuelles Fehlverhalten vorgeworfen werden kann. Einzelne und sogar ganze Personengruppen sollen also für das Verhalten anderer sanktioniert werden. Eine derartige Kollektivschuld bzw. Kollektivstrafe sieht die deutsche Rechtsordnung nicht vor.

    3. Geldstrafen von Verein gegen Fan

    Das DFL-Papier möchte offenbar eine Strafgewalt der Vereine gegen Fans einführen (S.15 zweiter Absatz). Von einer „Verhängung von Geldstrafen“ bei Verstößen gegen die Stadionordnung ist die Rede. Dies ist schon deshalb rechtswidrig, da der Staat das Monopol bei der Strafgewalt besitzt. An anderer Stelle wird angedeutet (S.19 vierter Absatz), dass die Geldstrafen als Vertragsstrafen über die Ticket-AGBs geregelt werden sollen. Es ist schon fraglich, ob die AGBs in der Regel überhaupt wirksam in den Ticketvertrag einbezogen werden. Jedenfalls sind AGB-Vertragsstrafen, die nicht die Hauptleistungspflicht – also die Bezahlung des Tickets - betreffen, sondern vertragliche Nebenpflichten, nach § 309 BGB rechtlich unzulässig. In § 309 Nr.6 BGB sind ‚selbständige Strafgedinge‘ gesetzlich schlicht nicht vorgesehen. In der Regel dürfte es sich ohnehin um eine ‚überraschende Klausel‘ handeln (unangemessene Benachteiligung, § 307 BGB). Aus Palandt § 339 Rn.3, 14, 15 und NJW 07, S. 2084, NJW 05, S. 1028 ergibt sich, dass Nebenpflichten nur sanktioniert werden dürfen, wenn sie im Vertrag bekannt sind. Sogar einer individualvertraglichen Vertragsstrafe könnte § 138 BGB entgegen stehen.

    Durch den Gesetzgeber wurden weitgehende Vorschriften geschaffen, um strafwürdiges Fehlverhalten und Verstöße gegen die Stadionordnung gegenüber dem Schuldigen zu sanktionieren. Ein darüber hinausgehender Nutzen durch die Einführung von Vertragsstrafen oder gar Geldstrafen der Vereine gegen Fans ist nicht erkennbar.

    Die Weitergabe von Verbandsgeldstrafen an Fans ist bereits systematisch zu kritisieren. Ziel der Verbandsstrafe ist es, den Verein für eigenes Verschulden zu bestrafen und nicht die Fans (so sieht es auch das Landesgericht Wien, Urteil vom 25.01.2011, Az.: 34 R 163/10p). Insbesondere richtet sich die Verbandsstrafe, die rechtlich ihre Grundlage in der Zugehörigkeit zu einem Verband hat, an den Verein. Der einzelne Fan ist dagegen nicht Mitglied dieses Verbandes und hat sich auch keiner eigenen Strafgewalt unterworfen. Insbesondere richtet sich die Strafe an der Wirtschaftlichkeit des Vereins aus und nicht an der des einzelnen Fans.

    4. Stadionverbote

    Schon die momentane Praxis bei der Vergabe von Stadionverboten ist rechtsstaatlich nicht hinnehmbar.

    4.1. Datenweitergabe durch Polizei

    Bereits jetzt werden Daten aus laufenden Ermittlungsverfahren von der Polizei an die Vereine ohne Rechtsgrundlage weitergegeben. Die unbefugte Weitergabe von Daten aus Strafakten ist in § 203 Abs. 2 StGB i.V.m. § 353b StGB unter Strafe gestellt.

    Die Datenübermittlung erfolgt über die Landesinformationsstelle Sport (LIS) des jeweiligen Bundeslandes an die Fußballvereine mit dem Antrag, ein bundesweites Stadionverbot zu erteilen. In der Praxis werden die Personalien und der Tatvorwurf/Kurzsachverhalt übermittelt, bzgl. dessen ein Ermittlungsverfahren gegen eine Person durch die Polizei eingeleitet wurde. Die Daten werden zunächst von der ermittelnden Polizeibehörde an die jeweilige LIS weitergegeben. Diese übermittelt die Daten an den jeweiligen Verein des ‚Tatorts‘ bzw. an den DFB (bzgl. Vorgängen auf Reisewegen). Hierzu ist anzumerken, dass die Mehrzahl der Vorgänge sich gar nicht auf Vorfälle im, sondern außerhalb des Stadionbereich bezieht.

    Die Polizeibehörden rechtfertigen die Datenweitergabe mit den DFB-Stadionverbots- Richtlinien und Vorschriften des Polizeirechts. Die DFB-Stadionverbots-Richtlinien sind jedoch verbandsintern und können per se gar keine Ermächtigungsgrundlage für die Polizei sein.

    Die Datenweitergabe durch die Polizei an Private für präventive Zwecke (also zur Gefahrenabwehr) ist in den jeweiligen Landes-Polizeiaufgabengesetzen geregelt, in Bayern bspw. in Art. 41 BayPAG. Eine Weitergabe von Daten nach den Polizeigesetzen wäre nach dem Sinn und Zweck des Art. 41 BayPAG nur im Ausnahmefall überhaupt zulässig. An der polizeirechtlichen geforderten Erforderlichkeit der Datenweitergabe fehlt es jedoch deshalb, weil seitens der Polizei eigene individuelle polizeiliche Befugnisse (wie z.B. die Verhängung von Aufenthalts-/Betretensverboten) bestehen und somit kein Bedürfnis besteht, die Erfüllung polizeilicher Aufgaben an private Dritte zu delegieren. Die zulässige Ergreifung polizeirechtlicher Maßnahmen wie z.B. Aufenthalts-/Betretensverbote für Stadien setzt jedoch eine konkrete Gefahrenprognose voraus. Die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens genügt hierfür nicht. Die Praxis der Datenweitergabe an die Vereine umgeht diese Voraussetzungen des Polizeirechts.

    Dabei ist auch zu bedenken, dass die Datenweitergabe ein schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen ist.

    Nach den Datenschutzgesetzen darf grds. keine Datenweitergabe ohne Einwilligung (z.B. Art.15 III BayDSG) erfolgen, sonst nur wenn sie erforderlich und gesetzlich geregelt ist und nur zu dem Zweck, zu dem sie erhoben wurden (z.B. Art.17, 19 BayDSG -datenschutzrechtlicher Zweckbindungsgrundsatz).

    Entgegen der Auffassung der Polizei sind die Polizeiaufgabengesetze für die Weitergabe von personenbezogenen Daten an Vereine jedoch grundsätzlich nicht anwendbar, da bei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (Strafverfolgung) die Strafprozessordnung einschlägig ist.

    Das Akteneinsichtsrecht ist abschließend in § 475 StPO geregelt. Der Zweckbindungsgrundsatz wäre sonst verletzt, da die Datenerhebung (Personalienfeststellung und Einleitung Ermittlungsverfahren) ursprünglich rein zur Strafverfolgung, also repressiv, erfolgte. Die Weitergabe an die LIS/ZIS dürfte daher nur zu diesem Zweck erfolgen. Die in der Praxis gepflegte „Kettenübermittlung“ (ermittelnde Polizeibehörde-LIS-Verein) umgeht diesen Grundsatz.

    Der Polizeivollzugsdienst ist während laufender Strafverfahren nicht berechtigt, ‚von Amts wegen‘ Informationen an die Vereine herauszugeben. Während laufender Strafverfahren beurteilt sich die Datenübermittlung nicht nach polizeirechtlichen Vorschriften, sondern nach § 474 ff. StPO. Eine Informationsweitergabe durch den Polizeivollzugsdienst ist demnach allenfalls auf entsprechenden Antrag und unter Darlegung eines berechtigten Interesses möglich (§ 475 StPO). Hierüber hat die Staatsanwaltschaft zu entscheiden und nicht der Polizeivollzugsdienst (§ 478 StPO). Verstöße hiergegen verletzen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

    Die Datenweitergabe in Ermittlungsverfahren ist nur im Ausnahmefall und unter strengen Voraussetzungen nach der Strafprozessordnung zulässig, z.B. bei der Öffentlichkeitsfahndung, § 131b StPO.

    Die Verhängung eines privaten bundesweiten Stadionverbot ist nicht polizeiliche Aufgabe, sondern ergibt sich aus der Verkehrssicherungspflicht des privaten Hausrechtsinhabers. Dass in der Praxis diese privaten Stadionverbote teilweise von der Polizei zugestellt werden (z.B. in der Fankurve), zeigt, dass dieser Grundsatz von der Polizei häufig missachtet wird.

    4.2. Weitere rechtliche Probleme bei Stadionverboten

    Für die Verhängung eines mehrjährigen bundesweiten Stadionverbotes können die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder eine Ingewahrsamnahme (ohne jeglichen Tatverdacht) durch die Polizei genügen. Dies ist unverhältnismäßig. Eine hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde ist beim BVerfG noch anhängig.

    Das Stadionverbot hat in der konkreten Ausgestaltung ‚Strafcharakter‘ und daher ist der Zweck der Maßnahme nicht präventiv. Es wird nicht - wie es eigentlich bei einer präventiven Maßnahme erforderlich wäre – eine individuelle Persönlichkeitsprognose zugrunde gelegt, sondern lediglich der Hinweis auf die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Polizei. Bemerkenswert ist zudem, dass sich diese Verfahren meist auf Sachverhalte außerhalb des Stadionbereichs beziehen.

    Nicht zuletzt ist die Verhängung eines mehrjährigen bundesweiten Stadionverbots vor allem gegen junge Menschen, für die ihr Dasein als Fußballfans ein wesentlicher Lebensinhalt ist, in aller Regel unverhältnismäßig.

    4.3. Ausdehnung der Höchstdauer von Stadionverboten von drei auf fünf Jahre

    Laut dem Papier soll über eine „Überprüfung der Dauer der Stadionverbote“ (S. 29 erster Absatz) diskutiert werden. Nach den öffentlichen Verlautbarungen der Sicherheitskonferenz (17.07.2012) geht es dabei um eine Ausdehnung der Höchstdauer von Stadionverboten von drei auf fünf Jahre.

    Eine solche Ausweitung der Laufzeit eines Stadionverbots ist nicht mit dem vom DFB postulierten präventiven Charakter von Stadionverboten in Einklang zu bringen. Nach den bisher bekannt gewordenen Stellungnahmen der Befürworter einer entsprechenden Verschärfung soll Anknüpfungspunkt für eine fünfjährige Geltungsdauer von Stadionverboten „die Begehung besonders schwere Straftaten“ sein. Damit steht fest, dass die Verschärfung repressiven, d.h. punitiven Charakter hat und der Abschreckung dienen soll. Dies ist systemwidrig und widerspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen, wonach die Strafgewalt allein staatlichen Autoritäten obliegt.

    Unter Berücksichtigung der eigentlich präventiven Rechtsnatur von Stadionverboten ist eine Anhebung der Laufzeiten auf fünf Jahre nicht angezeigt. Eine Prognose hinsichtlich der künftigen „Gefährlichkeit“ kann nicht allein auf die Schwere der vorgeworfenen Tat gestützt werden. Dies gilt insbesondere für junge Menschen. Vielmehr bedarf eine solche Prognose einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des/der Betroffenen. Eine zuverlässige Prognose kann jedoch höchstens für einen Zeitraum von zwei, im Ausnahmefall für ca. drei Jahre abgegeben werden. Alles andere wäre „Hellseherei“.

    4.4. Überprüfung der Regelung für eine Aufhebung Stadionverbote

    In dem DFL-Papier wird - bezogen auf die DFB-Stadionverbotsrichtlinien – die „Überprüfung der Regelung für eine Aufhebung Stadionverbote…insb. bei Einstellung nach § 170 II StPO“ vorgeschlagen (S.29 zweiter Absatz). Dies wird jedoch nicht näher ausgeführt. Anzunehmen ist jedoch, dass es künftig möglich sein soll, ein Stadionverbot trotz Einstellung eines Ermittlungsverfahrens nach § 170 Abs.2 StPO weiter aufrecht zu erhalten. Ein solches Vorgehen widerspricht nicht nur dem präventiven Charakter von Stadionverboten, sondern wäre auch unverhältnismäßig und rechtswidrig.

    5. Voll-Körperkontrolle am Stadioneingang

    Durchsuchungen von Personen dürfen gegen den Willen der Betroffenen nur durch die Polizei und im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben der Polizeigesetze erfolgen. Auch private Sicherheitskräfte haben keine Befugnis, Personen zu durchsuchen, außer die betroffene Person willigt ein. Die im DFL-Papier vorgesehenen Voll-Körperkontrollen, quasi als nebenvertragliche Pflicht des Stadionbesuchers, wären wegen des intensiven Eingriffs in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung unverhältnismäßig und damit rechtswidrig.

    Auch die Polizei dürfte eine solche Maßnahme nicht durchführen. Nach den Polizeiaufgabengesetzen darf die Polizei eine Person (Kleidung, Taschen) nur bei konkreten Verdachtsmomenten durchsuchen. Eine Körper-Voll-Untersuchung (ohne Kleidung, mit Körperöffnungen) wäre nur in begründeten Ausnahmefällen und bei ausreichenden Verdachtsmomenten überhaupt zulässig, ansonsten wegen des erheblichen Eingriffs in die Grundrechte unverhältnismäßig und damit rechtswidrig.

    6. Einführung Vermummungsverbot

    Diese Forderung verwundert, da das Vermummungsverbot bei Sportveranstaltungen in § 17a Versammlungsgesetz bereits gesetzlich geregelt ist, und in fast allen Bundesländern Gültigkeit hat. Ein großer Teil der juristischen Literatur hat jedoch Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift.

    7. Forderungen an Polizei und Justiz

    In dem DFL-Papier werden abschließend noch Forderungen an Dritte, insbesondere Polizei und Justiz aufgelistet, auf die hier kurz im Einzelnen eingegangen wird.

    - Auskünfte von polizeilichen Ermittlungen an Vereine
    - Mitteilung von Identitätsfeststellungen durch die Polizei

    Die Polizei darf überhaupt keine Daten aus laufenden Strafverfahren an Private herausgeben. Bereits die bisherige Praxis der Weitergabe von Daten durch die Polizei, um Stadionverbote zu erwirken, geschieht ohne Rechtsgrundlage (vgl. oben 4.1.).

    Die DFL fordert noch eine Erweiterung der rechtswidrigen Datenweitergabe, nämlich weitere Auskünfte aus polizeilichen Ermittlungen und sogar die Mitteilung von Identitätsfeststellungen durch die Polizei. Dies wäre ein klarer Rechtsbruch. Dieser Ansatz deutet auf polizeistaatliche Phantasien hin.

    In der Forderung nach Erweiterung der Datenweitergabe dürfte daher eine Aufforderung zu Straftaten der unzulässigen Datenweitergabe (§ 203 Abs. 2 StGB i.V.m. § 353b StGB) nach § 111 Abs. 1, 11 Abs. 3 StGB liegen, zumindest sofern diese Forderung öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften erhoben wird.

    Wir werden daher nun diese Datenweitergabe der Polizei an die Vereine – und damit die Rechtmäßigkeit sowohl der momentanen Praxis, als auch der geforderten Erweiterung – durch förmliche Eingaben bei den Landesdatenschutz-Beauftragten und dem Bundesdatenschutz-Beauftragten rechtlich beurteilen lassen.

    - Abschreckung durch sofortige Ermittlung von Tatverdächtigen
    - konsequente/schnelle Durchführung von Strafverfahren
    - Konsequente Durchsetzung des Gewaltmonopols des Staates

    Dies unterstellt der Justiz, Täter nicht zu ermitteln. Das stellt eine Verleumdung der Justiz dar. Gerade wenn man weiß, dass bei Strafverfahren mit Fußballbezug ein Ermittlungsaufwand wie bei Kapitalverbrechen betrieben wird, ist dies eine Forderung fernab der Realität. Im übrigen sollen Ermittlungen im Strafverfahren nicht der Abschreckung dienen, sondern der Strafverfolgung und Aufklärung. Gemeint ist wohl, dass man schnell irgendeinen Täter präsentieren soll. Diese Haltung zeugt von einem fragwürdigen Rechtsstaatsverständnis.

    - Aktualisierung/Überprüfung der Einträge der Datei ‚Gewalttäter Sport‘

    Es wird nicht klar, was damit gemeint ist. Zu befürchten ist, dass eine Ausdehnung der Möglichkeiten der Speicherung personenbezogener Daten in der polizeilichen Datenbank ‚Gewalttäter Sport‘ angestrebt wird.

    Bereits heute kommt eine Speicherung von Personen in dieser Datei nicht nur in Frage, wenn diese aufgrund von Straftaten rechtskräftig verurteilt worden sind. Darüber hinaus ist eine Speicherung auch bei polizeirechtlichen Maßnahmen wie Ingewahrsamnahmen und bloßen Identitätsfeststellungen zulässig sowie in bestimmten Fällen sogar bei einem nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Ermittlungsverfahren. Damit lässt sich keine Aussage über die tatsächliche Gewaltbereitschaft einer Person herleiten. Dennoch wird eine Datenspeicherung häufig für weitergehende polizeiliche Maßnahmen wie Meldeauflagen oder Ausreiseverbote herangezogen. Diese Praxis wird immer wieder von Verwaltungsgerichten auch zu Recht als rechtswidrig erachtet. Eine Erweiterung der Speicherpraxis ist damit rechtlich mehr als fragwürdig.

    - Vermehrte Anwendung beschleunigter Verfahren

    Nach dem Gesetzeswortlaut des § 417 StPO sind beschleunigte Verfahren nur bei einfachem Sachverhalt oder klarer Beweislage zulässig. Diese Voraussetzungen sind aber meist nicht gegeben. Die meisten Fälle eignen sich nicht für das Schnellverfahren. Diese Forderung ist daher realitätsfern.


    AG Fananwälte

    Geschrieben von:  Stephan R.T.

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