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  • RSV Würges 1920, 29. Januar 2008

     

    „Die haben keine Ahnung“


    Von:  thom.as

    Der RSV Würges ist ein eher kleiner Verein. In der Oberliga ist er meist in der unteren Hälfte der Tabelle zu finden. Trainer Jürgen Menger ist schon sehr lange bei diesem Verein, und hat vor zwei Jahren den lange ersehnten Wiederaufstieg in die Oberliga Hessen geschafft. Dennoch ist es nicht einfach, sich in dieser Liga zu halten. Der 42-Jährige sprach mit uns, während seine Mannschaft auf dem Spinning-Rad schwitzte, über die aktuelle Saison und die vielen Probleme der kleinen Vereine.

    Herr Menger, Sie spielen nun Ihre zweite Oberliga-Saison mit dem RSV Würges. Was waren Ihre Erwartungen für diese Saison?

    Es heißt ja, dass das zweite Jahr, nachdem man sich in einer Klasse behaupten konnte, noch schwerer ist. Bei uns gibt es im Grunde keinen Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Jahr. Wir haben zum Ende der vergangenen Saison 15 Spieler aus einem Kader von insgesamt 24 Spielern verloren. Von den neun Spielern, die uns noch geblieben sind, waren drei im Prinzip langzeitverletzt. Einer kam auf zwei Einsätze, einer hatte drei und der andere hatte gar keinen. Das waren aber eingeplante Spieler. Letztendlich hatten wir noch fünf oder sechs Spieler aus der vergangenen Saison zur Verfügung. Wir als Verein sind zudem finanziell auch nicht so gut ausgestattet, um uns entsprechend zu verstärken. Wir können uns nicht diejenigen Spieler holen, die die gewisse Qualität haben. Die guten Spieler sind eben auch sehr teuer. Wir haben viele Spieler aus den unteren Klassen geholt. Daher mussten wir alles wieder neu zusammenstellen. Auch in Hinblick auf das Spielsystem. Unser Ziel oder die Erwartung in dieser Saison war, genau wie auch in der vergangenen, die Klasse zu halten.

    Durch die Neueinführung dieser dreigleisigen Regionalliga haben einige Vereine finanziell noch einmal etwas draufgepackt, weil sie eben dieses Ziel der neuen Liga erreichen wollen. Wir im Gegenzug haben unseren Etat sogar etwas heruntergefahren. Das verdeutlicht vielleicht etwas, mit welchen Problemen wir in die Saison gegangen sind.

    Wir waren nach den ersten acht Spielen Tabellenletzter. Das kann man wohl damit begründen, dass wir nur drei Spieler bekamen, die bereits Oberliga-Erfahrung hatten. Der Rest ist aus den unteren Ligen zu uns gestoßen. Bei diesen drei Männern mit Oberliga-Erfahrung handelte es sich um den zweiten Torwart, und zwei, die bei ihren vorigen Vereinen im Prinzip auf der Bank gesessen haben.

    Ich muss ein bisschen ausholen. Damit sie einmal sehen, wie unsere Situation und diese laufende Saison einzuordnen ist. In der Oberliga gibt es im Prinzip eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. zumindest liegen Unterschiede im finanziellen Bereich von bestimmt 400.000 bis 500.000 Euro. Die Top-Vereine in Hessen, kommen bestimmt auf etwa 500.000 oder 600.000 Euro Etat. Damit meine ich Mannschaften wie etwa Eintracht Frankfurt II oder auch Darmstadt 98, die sicherlich 400.000 bis 500.000 Euro zur Verfügung haben. Offiziell werden diese Vereine das gewiss nicht so dokumentieren. Aber wenn man eben so ein Voll-Profitum anbietet, und das ist bei den ersten vier Mannschaften dieser Liga der Fall, dann muss man finanziell auch das Entsprechende bieten.

    Bei uns gehen die Spieler noch alle einem Job nach. Wir als Verein bewegen uns oftmals finanziell auf einem sehr schmalen Grat. Ich muss wahrscheinlich in der Winterpause meinen besten Stürmer abgeben, ganz einfach weil er finanziell woanders ein besseres Angebot bekommen hat. Natürlich muss ich ihn freigeben. Auch wenn ich es nicht gerne tue. Aber das ist doch selbstverständlich. Wenn solche Spieler bei uns genug Kohle bekämen, würden diese mit Sicherheit auch beim Verein bleiben.

    Ich glaube auch in der Bayernliga oder der Oberliga Nordrhein gibt es Zweiteilung in die Kleinen und die Großen.

    Aber warum sind am Anfang der Saison so viele Spieler gegangen?

    Aus verschiedenen Gründen. Zwei wollten eben professionell arbeiten. Und ich habe auch viele Studenten in der Mannschaft, die sich gerade in der Endphase ihres Studiums befinden und viele haben eben auch einen regulären Job. Die sagen teilweise, dass sie sportlich das erreicht haben, was sie wollten, und sich jetzt auf ihren Job konzentrieren wollen. Denn das Geld, das sie in Würges verdienen, ist eben nicht wirklich viel.

    Bei uns ist die Absprungquote extrem hoch. Viele Vereine locken ihre Spieler, indem sie ihnen so viel Geld geben, dass sie ihren Lebensunterhalt damit verdienen können, eine Wohnung zahlen können und nebenher noch ein bisschen zum Leben haben. Das geht bei uns ganz einfach nicht.

    Bei uns gibt es hingegen für ‚Nobodies’ die Möglichkeit, sich auf einer größeren Bühne zu zeigen. Ich muss dazu sagen, dass ich im Zweifel immer auf der Seite des Nachwuchses stehe. Mit diesen jungen Spielern, die aus den unteren Klassen kommen, versuche ich jetzt, so gut es geht die Klasse zu halten.

    Könnten Sie noch einmal ein paar Sätze zur Hinrunde sagen?

    Ich habe in den letzten Jahren oft Spieler geholt vom SV Wehen, die eine gute Jugendausbildung genossen. Diese Jungs sind geschult. Ich hole aber auch teilweise Spieler aus Landesligavereinen, Nachwuchsspieler aus der näheren Umgebung, die diese Grundausbildung, diese taktische Schulung als Voraussetzung einfach nicht mitbringen.

    Wir waren dann nach den ersten acht Spielen Letzter. Wenn Sie aber die darauf folgenden acht Spiele betrachten, da waren wir von den Punkten her Erster. Wir waren teilweise nur zwei Punkte von einem so genannten Aufstiegsplatz entfernt. In diesem Zwischenhoch haben wir, denke ich, viel Kraft gelassen. Leider haben wir in den folgenden vier Spielen vier Niederlagen einstecken müssen. Drei davon mit nur einem Tor Unterschied. Diese vier Niederlagen in Folge waren ärgerlich.

    Somit sind wir dann auch auf Platz 12 abgerutscht. Aber wenn man mir vor der Saison gesagt hätte, dass wir gegen Ende der Vorrunde in die Nähe der Aufstiegsplätze rücken, und das mit dieser neuen Kaderzusammensetzung, dann hätte ich ihn wohl für verrückt erklärt.

    Sie haben mit 23 geschossenen Tore im Verhältnis zu den übrigen Mannschaften eine relativ schwache Ausbeute. Wie wollen Sie das ändern?

    Wir haben Jungs in der Mannschaft, die haben noch nie in so einer hohen Klasse gespielt. Die brauchen halt etwas Zeit. Gerade in den letzten vier Spielen haben wir eine Quote in der Chancenverwertung, die ist unter aller Kanone! Da waren zwei Spiele dabei, in denen hätten wir vier bis fünf Tore schießen müssen.

    (wird gerufen, da er mit seiner Mannschaft gerade beim Spinning ist)

    Wir sind gerade beim Spinning. Das bringt hoffentlich ein wenig Abwechslung. Wissen Sie, bei uns ist die Infrastruktur, im Hinblick auf Kunstrasenplätze und so weiter, nicht sehr gut ausgeprägt. Morgen spielen wir gegen den Zweitligisten Kickers Offenbach. Da ist das heute natürlich die optimalste Vorbereitung. Heute im Ausdauer und Kraft-Bereich auf dem Spinning-Rad zu sitzen und morgen gegen einen Zweitligisten zu spielen. Eigentlich ist das grundverkehrt, aber der sportliche Leiter aus Offenbach, Michael Dämgen, ein Freund von mir aus meiner Zweitliga-Zeit beim SC Freiburg, hat mich angesprochen. Und für den Verein sind das natürlich auch wieder ein paar Groschen mehr. Das Spiel nehme ich nicht so wichtig. Deswegen sitzen die Jungs ja jetzt auf dem Spinning-Rad. Aber für viele ist das doch auch ein Erlebnis. Gegen einen Zweitligisten. In der Vorbereitung zur Hinrunde hat es ganz gut geklappt, als wir nur 1:4 gegen den SV Wehen verloren haben. Da waren alle natürlich sehr stolz auf sich.

    Sie sind auswärts sehr stark. 15 Ihrer 24 Punkte holten Sie auf gegnerischem Rasen...

    ...wir sind Tabellenvierter in der Auswärtsstatistik. Aber wir sind Viertletzter in der Heimstatistik.

    Woran könnte das liegen?

    In dieser Klasse musst du in Heimspielen in der Lage sein, Spiele selbst zu gestalten. Am Anfang der Saison haben wir uns damit sehr schwer getan. Wir haben viele Spiele zu Hause verloren. Dann kam ein kleines Zwischenhoch, da konnten wir auch in den Heimspielen Punkten. Zum Beispiel haben wir in dieser Zeit gegen Frankfurt oder Waldgrimes gewonnen. Gegen Darmstadt 98 haben wir unglücklich verloren. Dennoch fällt es uns einfach leichter, wenn wir das Spiel nicht selbst machen müssen.

    Als Trainer forciere ich immer das Offensivspiel, auch wenn ich als Spieler in der Abwehr stand. In den letzten Heimspielen haben wir dann auch tolle Leistungen gezeigt. Da waren richtig gute Spiele dabei. Normalerweise muss man solche Spiele auch gewinnen. Aber wir haben die letzten zwei Spiele, unglücklich mit 1:2 bzw. 2:3 verloren. Da denkst du dir dann schon: „Das darf doch nicht wahr sein“.

    Die Mannschaft hat sich im Agieren sehr schwer getan. Das Reagieren fiel ihr leichter. Wahrscheinlich liegt das darin begründet, weil das Team neu zusammengesetzt wurde. Man kann mit einer komplett neuen Mannschaft durchaus Erfolg haben, aber da muss dann die Grundausbildung vorhanden sein. Bei einigen mussten wir ganz am Anfang beginnen.

    Welche Verbesserungen müssen speziell in Angriff genommen werden?

    Natürlich müssen wir an unserer chronischen Heimschwäche arbeiten. Das ist aber eine Sache, die nicht von heute auf morgen geht. Die Mannschaft muss sich kennenlernen, muss bestimmte Abläufe verinnerlichen. Das kannst du nur mit gezieltem Training erreichen, und wenn man sich nur drei- oder viermal in der Woche sieht, dann ist das sicherlich schwieriger als im Profibereich, wo man zweimal am Tag miteinander trainiert. Der Faktor Zeit spielt hier eine große Rolle

    Spielen Sie immer noch gegen den Abstieg?

    Auf jeden Fall. Es stehen viele Mannschaften sehr eng zusammen. Zwischen Abstiegsplätzen und den so genannten ‚sicheren Plätzen’ sind keine großen Abstände. Hier in der Oberliga Hessen ist oft nur die Tagesform entscheidend. Im Grunde kann man sich ab Platz acht nicht mehr sicher fühlen. Die ersten fünf, sechs, sieben Mannschaften spielen den Aufstieg unter sich aus. Der Rest muss schauen, dass er so schnell wie möglich in Richtung 40 Punkte kommt. Ich glaube aber, dass in diesem Jahr schon weniger Punkte zum Klassenerhalt genügen. Wenn nur zwei Mannschaften aufsteigen, dann ist es oftmals der Fall, dass die Mannschaften auf den vorderen Nicht-Aufstiegsplätzen am Ende der Saison Punkte lassen, die normalerweise nicht abgegeben werden. In diesem Jahr werden allerdings die ersten vier Plätze hart umkämpft sein. Deswegen kann sich eine Mannschaft aus diesem Bereich auch bis zum Schluss keinen Punktverlust erlauben. Aus diesem Grund glaube ich nicht, dass ich vierzig Punkte für den Klassenerhalt benötige.

    Normalerweise gibt es ja zwei Absteiger. Wenn es dabei bleibt, dann haben wir, denke ich, gute Chancen in der Liga zu bleiben. Es gibt aber in Hessen diese Regelung, dass, wenn eine zweite Mannschaft auf Platz eins ist, wie etwa Kickers Offenbach II nun in der Landesliga Süd, automatisch der Zweit- und Drittplatzierte mit aufsteigt. Ich glaube, das ist aber nicht in jedem Landesverband so.

    Aber generell sind wir schon noch dick im Geschäft, was die Abstiegsfrage angeht. Es wäre schön, wenn es nicht so wäre. Dann hätte man diesen ständigen Überlebenskampf nicht und man könnte in Ruhe mit der Mannschaft arbeiten, gerade was bestimmte Abläufe im Spiel anbelangt. Diese Mannschaften, die professionell trainieren, können das natürlich viel intensiver und auch individueller betreiben. Unsereiner muss halt gucken, dass er irgendwie die Klasse hält. Da ist es erst einmal egal ob die Abläufe passen, Hauptsache die Punkte sind da. Wobei ich dennoch darauf achte, dass die Jungs auch ein bisschen Spielkultur zeigen. Ich tue mich teils schwer mit Siegen, in denen der Gegner einfach besser war und fünfmal den Pfosten getroffen hat. Da kann ich mich nicht mehr so über den Sieg freuen. Auf der anderen Seite gleichen sich meist die unglücklichen Niederlagen und die glücklichen Siege im Laufe einer Spielzeit aus.

    ...und auf welchem Platz landet Ihr Team dann am Ende dieser Saison?

    Jeder Platz zwischen Rang dreizehn und eins ist mir am Schluss recht. Platz eins ist natürlich übertrieben, aber zwischen dreizehn und acht, das wäre ok. Aufgrund unserer kleinen Problemchen mit Verletzungen und so weiter wäre das schone eine gute Sache. Mannschaften wie Eintracht Frankfurt II oder auch SV Wehen II können natürlich Verletzungen viel besser wegstecken als wir. Die füllen den Kader einfach mit Spielern aus dem Profibereich auf, aus dem Kader der Bundesliga. Da sieht man halt den Unterschied. In Frankfurt, Wehen, oder Darmstadt zum Beispiel sind Spieler, auch 15-,16- und 17-Jährige, die würden in jeder anderen Mannschaft spielen, aber dort ist es sehr schwer für sie.

    Ok, vielen Dank für das informative Gespräch. Und vie Erfolg beim morgigen Knaller gegen Offenbach und natürlich viel Erfolg im Überlebenskampf in der Oberliga!

    ...ich hoffe, ich konnte Ihnen einen kleinen Einblick in die diversen Probleme des RSV Würges geben. Wir hoffen trotz aller Widrigkeiten, diese Klasse halten zu können. Man muss sich nämlich schon auch Gedanken über die Strukturen des DFB machen. Die sind so aufgebaut, das die da oben davon profitieren, aber unten, die Basis, da geht das Ganze ins Gegenteil über. Die Oberen bekommen viel Geld durch Fernsehwerbung oder früher aus dieser Oddset-Werbung. Wenn für uns da 5.000 bis 7.000 Euro rumspringen, dann ist das viel. Von dem Etat, den wir für unsere Spieler ausgeben, können sich andere Teams gerade mal eine bessere Trainingsausrüstung kaufen. Ich kann das teilweise nicht nachvollziehen. Viele Spieler, die den Sprung nach oben schaffen, kommen von unteren Vereinen. Auch aus der Oberliga. Warum steckt man Vereinen wie dem FC Bayern oder anderen Bundesliga-Teams immer noch mehr Geld zu. Das ist meines Erachtens der falsche Weg. Da sind Leute am Werk, die besser einmal acht Wochen in einen kleinen Verein gehen sollten, um sich ganz einfach mal mit den Problemen, die wir haben, auseinanderzusetzen. Die haben keine Ahnung! Ich denke, ich stehe mit dieser Meinung nicht alleine da...(Pause) ..ich bin eben eher auf der Seite der kleinen Vereine.

    Geschrieben von:  thom.as

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